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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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Gaspedal, der Blick huschte zwischen Rückspiegel und Straße hin und her. Der Audi blieb verschwunden. Es schien so, als seien die Verfolger abgehängt. Er mochte seinen Namen nicht. Dieses unbedarfte »Martin« war für einen intelligenten Geschäftsmann in den Dreißigern unangemessen, deshalb kürzte er seinen Vornamen stets ab und verwendete lieber nur den Anfangsbuchstaben.
    Seine Mutter hatte ihn damit bestrafen wollen, dessen war er sich sicher, auch wenn sie immer betont hatte, dass sich sein Name von dem römischen »Martinus« herleite, der wiederum auf den Namen des Kriegsgottes Mars zurückgeführt
werden könne. Verbreitet worden sei der schöne alte Vorname dann im vierten Jahrhundert durch den heiligen Martin, der seinen Mantel mit einem Bettler geteilt hatte. Und bis jetzt hatten drei Päpste den Namen Martin getragen. Es sei eine Ehre, so genannt zu werden. Leute mit ehrbaren Namen hatten auch einen ehrenwerten Charakter.
    Wenn sich Frau Mama da mal nicht geirrt hatte. Er grinste und betrachtete seine Zähne im Rückspiegel. Die beiden Eckzähne waren spitzer als die Schneidezähne. Deutete das nicht darauf hin, dass der Mensch dereinst ein Raubtier gewesen war? Er bog scharf nach rechts ab und wartete dann, ob jemand vorbeifuhr. Niemand folgte ihm.
    Dazu kam dieser banale Nachname: »Mühlmann«. Eine schäbige Alliteration noch als Dreingabe. Was sollte das schon heißen? Die Kinder hatten ihn gehänselt. »Hallo, Müllmann!« hatten sie gerufen. Oder: »Martin – Smartie« oder Ähnliches. Er hatte sich als Kind scheinbar damit abgefunden, gute Miene zum bösen Spiel gemacht; auch die Namen anderer Kinder wurden verballhornt, aber in seiner Fantasie waren den Quälgeistern drastische Missgeschicke passiert, sie wurden vom Blitz erschlagen, von Lastwagen zerquetscht oder von einem irren Serienmörder mit der Axt verfolgt.
    Der Mann musste über das gedankliche Bild grinsen. Die Eckzähne leuchteten im Spiegel. Es gab keine irren Serienmörder. Jeder von ihnen hatte ein Ziel, eine Vision, strebte nach etwas Höherem. Seine Profession war der allmächtige Doctor Nex – Nex der Tod.
    Inzwischen hatte er die Stadtgrenze passiert. Der Ford glitt fast lautlos um die Kurven, huschte durch die Nacht, Scheinwerfer strichen über borkige Stämme am Straßenrand, streiften Sträucher und schmutziges Gras. Wieder und wieder erinnerte er sich an das brennende Unbehagen, das ihn erfasst
hatte, als ihm der dicke Audi zum ersten Mal aufgefallen war. Zuerst hatte er an einen Zufall geglaubt, den Wagen im Rückspiegel beobachtet, war langsamer und abrupt wieder schneller gefahren, um zu testen, ob dieses Auto ihm folgte, während sich die ungute Ahnung zur Gewissheit verdichtete und Gedanken wie durchgegangene Pferde durch den Kopf galoppierten.
    Bullen waren das mit Sicherheit nicht. Bullen fuhren keinen dicken Audi. Womöglich hatte ihn doch irgendwer auf dem Weg in die Redaktionsräume observiert. Und dieser Unbekannte fuhr nun hinter Doctor Nex her. Das Entsetzen, dass man ihm schon so dicht auf den Fersen war, wich sehr schnell kaltschnäuzigem Zorn. Wenn sie dachten, ihn so leicht erwischen zu können, hatten sie sich geirrt!
    Discite moniti estis – Lernt, ihr seid gewarnt worden!! Diese Erfahrung würde den Audifahrer lehren, dass er Doctor Nex in keiner Weise gewachsen war. Und es war gelungen.
    En zweiter kurzer Schockmoment folgte bei der Erkenntnis, dass zwei Männer im Auto saßen, als der Audi um die Ecke gebogen war, aber auch diesen hatte er schnell verkraftet.
    Martin Mühlmann spitzte seine Lippen und pfiff ein paar Takte aus Doktor Schiwago. Zweiundzwanzig Uhr fünfzehn. Die kleine Redaktionsschlampe würde sicher schon seiner harren. Vielleicht hatte sie Hunger und Durst, vielleicht drückte ihre Blase. Sie wurde nicht mehr gebraucht, aber ihr würde nicht sofort bewusst sein, dass sie ihren Nutzen für ihn verloren hatte. Er konnte zum Spaß so tun, als habe sein Vorhaben funktioniert, als sei der Artikel eingestellt und erschiene morgen, konnte noch ein bisschen mit ihr spielen, so wie es eine Katze mit der Maus tat, und dem Ganzen erst später ein Ende bereiten.

    Es war bedauernswert, dass er all seine Kunstwerke im Haus hatte zurücklassen müssen, aber das war nicht zu ändern. Er konnte neue erschaffen.
    Wie gut, dass der allwissende Doctor Nex schon vor Beginn seiner Tätigkeit daran gedacht hatte, für solche Notfälle wie heute vorzusorgen. Frau Mama hatte ein hübsches Sümmchen

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