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Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Titel: Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Bittrich
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einen Bruch hinter sich, berichtete ermit gesenkter Stimme, gegen zwei Uhr in einer Provinzapotheke. Gänzlich abgelegen, an einer toten Ecke in Borstel. Und doch musste ihn jemand gehört haben und hatte sich, statt Alarm auszulösen, an seine Fersen gehängt. Mit seinem Motorrad hatte Jakob eine Hetzjagd erlebt. Die ganze Zeit über, bis eben gerade, sei jemand dicht hinter ihm gewesen, nicht die Polizei, es gab keinen Lautsprecher, keinen Funk, kein Blaulicht. Es war irgendein Spinner in einem schnellen Wagen, der Spaß daran hatte, ihn mit seiner Maschine weit um Hamburg herumzujagen, bis ihn Jakob schließlich, im Klövensteen, in einem Waldstück, dessen Durchfahrt nur er kannte, hatte abschütteln können.
    »Es sei denn, er taucht hier gleich auf«, stieß er hervor und sank in seinen Sessel. »Ich sage euch, da kriegst du Schiss.«
    »Ja, klar!«, stimmten wir zu, möglichst volltönend, um unser Entsetzen zu verbergen. Wenn jemand Schiss hatte, dann wir.
    »So ein Blödmann!«, sagte Alexander düster.
    »Der wollte sich wichtigtun«, diagnostizierte ich scharfsinnig. Wir taten so, als sei die Jagd eine Schande und der Hergang zuvor völlig selbstverständlich und bestimmt nichts Verwerfliches. Apothekenbrüche, klar. Mussten ab und zu sein. Doch ein Bodensatz rechtschaffener Vorbehalte ließ uns schaudern, zumal Jakob gespenstisch und zerrüttet aussah, hohläugig, zittrig, dem Schrecken keineswegs schon entronnen. Mit Ladendiebstahl kannten wir uns aus; darin waren wir einigermaßen bewandert. Aber dies war etwas anderes und strömte Entsetzen aus.
    Die Beute hatte Jakob in seinem Rucksack mitgebracht. Mit fahrigen Händen baute er sie auf einem Bügelbrett auf.
    Die duldsame Freundin stand schweigend dabei. Wir hielten es für geboten, die erbeuteten Schätze zu bewundern. Sie sahen wie Medikamente aus. Wir hoben die Fläschchen und Ampullen vor unsere Augen, um im trüben Licht die rätselhaften Bezeichnungen zu entziffern. Wir sagten »Hui!« und »O ja« und nickten anerkennend, obwohl wir nicht die mindeste Ahnung hatten, um was es sich handelte. Wir wollten es auch nicht wissen.
    »Zu den Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker«, versuchte Jakob zu scherzen.
    Mit unserem Humor war es nicht weit her. In den Stunden zuvor hatten wir einiges geraucht und gesnifft, bei leidlich guter Stimmung. Eines der Mädchen war wegen ihres Geburtstags mit einem prächtig aufgegangenen Haschischkuchen gekommen, der nicht gut geschmeckt, aber eine beseligende Wirkung entfaltet hatte. Nun ergriff uns beklemmende Nüchternheit.
    Jakob sah sich ab und zu noch um, als erwarte er ein Pochen an der provisorischen Brettertür. Wir versuchten, unserem Unbehagen ein Lächeln abzuringen, sooft er uns ansah. Wir nickten kumpelhaft. Alles klar. Und, sicher, wir waren vertrauenswürdig. Absolut. Waren einverstanden. Schienen ihm die artigen Mädchen nicht ganz geheuer? Keine von ihnen war in dieser Nacht zum ersten Mal dabei. Schließlich legte er sich auf seine Matratze und streckte die Hand nach seiner Freundin aus. Sie hockte sich zu ihm.
    Wir nahmen es als Signal, uns ebenfalls wieder auf unsere Lager zu bequemen. Doch eine Rückkehr in Trunkenheit und Verzückung oder auch nur Benommenheit war so bald nicht mehr möglich. Die Mädchen schlossen dieAugen. Ihnen reichte in dieser fahlen Stunde ein Anflug von Nähe und Wärme. Wir hatten gelernt, dass wir in kleiner Münze zahlen durften: ein wenig streicheln, knuddeln, zärtlich sein. Aber Alexander und ich, die Jakob am längsten kannten, blieben aufgewühlt und hielten die Augen geöffnet.
    Es war nicht ungewöhnlich, dass Jakobs Freundin ihn von seinen Kleidern befreite. Für einen schauerlichen Moment sah es so aus, als verrichte sie die Handgriffe einer Pflegeschwester. Aber alt und schwach war er noch nicht. Wunderbarer Anblick, wie sie sich nun über ihn beugte und ihn wärmte mit Zunge und Fingerspitzen. Und wie er sich dabei entspannte und seufzte, endlich angekommen!
    Doch angekommen war er noch nicht. Beharrlich und kunstreich brachte sie seinen Glanz zum Stehen. Sie wand ihre Perlenkette darum wie ein Ordensband. Fehlten noch Applaus und Fanfaren. Die Schau, die Alexander und ich verstohlen verfolgten, war in aller Stille glamourös und preiswürdig. Wir wechselten erleichterte Blicke, Alexander grinste beifällig, ich war beruhigt. Kein Grund zur Sorge. Alles in Ordnung hier.
    Und dann zog Jakobs Freundin, die Reederstochter vom Falkenstein, eine

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