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Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Titel: Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Bittrich
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die Wange; etwas zu gütig kam es mir vor. »Ich bin müde.«
    »Und wenn ich einfach nur in deinem Zimmer schlafe?
    Auf dem Teppich vor deinem Bett?« Ich würde schon beizeiten hochklettern.
    Ihr Lächeln war eine feine Linie. »Nein.«
    »Oder nebenan? Als dein Diener? Mehr will ich doch gar nicht sein!«
    Sie schüttelte abermals liebenswürdig den Kopf. Die schwarzen Locken wiegten sich wie die Trauerweide auf dem imaginären Scherenschnitt, dem sie entstiegen war. Und in den sie, stellte ich mir vor, jetzt gleich zurückklettern würde. Doch nun erst begann das Abenteuer.
     
    Aufgewühlt und mit pochender Hoffnung verließ ich das Haus.
    Es gibt Herbstnächte, in denen noch ein Rest Sommer gespeichert ist, sogar im Oktober. Es ist windstill und beinahe warm. Wer vor die Tür tritt, hält verzaubert für einen Moment inne, um langsam einzuatmen und in die Sterne zu sehen. Nur das Rascheln eines Igels ist zu hören, er sucht im Laub sein Winterquartier. Sonst nichts. Stille.
    Aber es gab eine Bewegung. Zu sehen war sie nicht. Ich spürte sie nur. Ich hatte das Rascheln nicht einmal wahrgenommen, erst durch die Lautlosigkeit danach fiel es auf. Und durch die Plötzlichkeit, mit der es verstummte. Das war kein Igel gewesen. Auf einmal fror ich. Ich musste den Schlüssel in meinem Rücken drehen und das Laufwerk aufziehen, um weiterzugehen. Absichtsvoll wandte ich mich von dem erloschenen Rascheln ab und entfernte mich zielstrebig; zumindest sollte es so aussehen.
    Weil ich gehofft hatte, etwas von dem kostbaren Wein zu trinken, war ich nicht mit dem Auto gekommen. Nun schlug ich den Weg zum Bahnhof ein. Stadteinwärts fuhrdie letzte S-Bahn um halb eins. Blieben zehn Minuten. Das Knirschen meiner Turnschuhe auf dem Sandweg füllte die schlaftrunkene Villenstraße, als liefe das Echo von den Hauswänden mit; es verschwand im Buschwerk der Lücken und war mit dem nächsten Haus wieder da.
    Er sollte hören und glauben, dass ich nichtsahnend fortging, der Schatten, den ich wahrgenommen hatte, ohne ihn zu sehen. Ich bog um die Ecke in die Querstraße, machte noch ein paar Schritte – für ihn sollten sie beruhigend verklingen – und hielt an.
    Die Nacht war so unbewegt und mein Gehör vor Anspannung so geschärft, dass ich nach einer gedehnten Pause abermals sein Rascheln hörte – oder so kam es mir vor. Nun klang es unvorsichtig und schon siegesgewiss.
    Sogleich schlich ich im Schatten der Hecken zurück, nur so weit, dass ich die Front des Hauses im Blick hatte. Dort wurde eben die Tür geöffnet. Der Flur war matt erleuchtet. Ihre Silhouette erschien, dann der Schatten, mit dem sie verschmolz. Das Schließen der Tür.
    Jetzt traute ich mich hin. Der Schmerz zog mich, er war noch nicht deutlich genug. Vor dem Garten blickte ich mich um, schon beinahe wie ertappt. In einiger Entfernung war Licht in einer Dachkammer, sonst waren die Fenster dunkel. Hatte nicht gegenüber noch eben ein Fenster geleuchtet? Und hatte jemand rasch das Licht ausgeschaltet, um mich aus der Dunkelheit besser beobachten zu können? Für einen Zeugen musste es einigermaßen sonderbar wirken, wie ich zunächst fortgegangen, dann pirschend zurückgekehrt war, ein Finsterling, der unter den Laternen die Schultern hochzog. Mochte, wer hinter den Gardinen zusah, es beim Zusehen belassen. Es wäre nicht schön,wenn ein Streifen wagen auftauchen würde vor diesem Grundstück, das ich nun halbwegs geläufig durch die Pforte betrat. Sie durfte nur zu einem Drittel geöffnet werden, damit sie nicht quietschte. Über das Rosenbeet am Plattenweg stelzen, den geschorenen Rasen des Vorgartens überqueren, am Haus vorbei, in jenes schattenreiche Gewirr der Büsche eintauchen, aus dem vorhin das Rascheln gekommen war. Auf dieser Seite des Hauses befand sich ihr Zimmer, allerdings im Obergeschoss.
    Ein schief gewachsener Maulbeerbaum erlaubte leichtes Klettern bis auf knapp zwei Meter Höhe. Von dort konnte selbst ein unbegabter Free Climber die Brüstung der Ziegelmauer erreichen, die das Grundstück zum Nachbarn abgrenzte. Der flache Mauersims bot einen geschützten Aufenthalt, sofern niemand auf die Idee kam, mit der Taschenlampe zu fahnden. Nur etwas zu niedrig war der Platz, ungefähr wie ein Sitz im Orchestergraben, von dem aus der Musiker nur das Geschehen auf dem Vorderteil der Bühne verfolgen kann.
    Und so war es. Weil das Nachbarhaus zu dieser Seite hin nur eine winzige Luke hatte, kein Fenster, musste sie die Vorhänge nicht zuziehen. Sie tat es

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