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Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Titel: Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Bittrich
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flatterte. Und dann sie, in Slip und T-Shirt. Sie öffnete jetzt die kassettierte Kühlschranktür und holte Teller und Schälchen mit kulinarischen Köstlichkeiten hervor. Mein Investivkapital, da ging es hin! Deshalb hatte sie lediglich genippt! Nun servierte sie großzügig, bediente artig, beinahe mit Knicks, es fehlte nur die Schürze. Eines war sicher: Am folgenden Tag würde ich nicht für sie einkaufen gehen. So weit reichte der Masochismus nicht. Oder doch? Dann aber allenfalls bei Penny , und dann mit der Giftspritze. Ich wandte mich ab.
    Wer gedankenlos seinen eigenen Schritten folgt, immer nur den Schuhspitzen nach, erlebt zuweilen eine merkwürdige Überraschung. Meine Beine trugen mich keineswegs, womit ich fest gerechnet hatte, stadteinwärts, also hinunter zur Elbe und dann am Ufer entlang, sondern in einem einlullenden Bogen weit im Kreis. Bevor ich die Irreführung begriff, erschien dasselbe Viertel mit denselben zweigeschossigen Häusern der zwanziger Jahren in denselben alten Gärten, derselbe Platz am Zaun war noch frei, der Sand in den Abdrücken meiner Sohlen vermutlich nochwarm, dasselbe milde Licht schien herüber von den Strahlern der Küche.
    Nur saß niemand mehr da. Aufgegessen. Morgen würde ich die neue Einkaufsliste in Empfang nehmen. Aber jetzt wurde die Haustür geöffnet. Die innige Abschiedsszene – von ihr aus zumindest, sie schlang die Arme um seinen Hals, seine Arme hingen herunter, vielleicht wegen der Plastiktüten –, dieser kitschige Auftritt gewährte mir die nötige Frist zum Rückzug. Im schwarzen Schatten eines benachbarten Garteneingangs wartete ich. Dann heftete ich mich an seine Fersen. Zwei Plastiktüten, das war auffällig genug, in jeder Hand eine. Beide gut gefüllt mit den Resten, die er nicht auf Anhieb hatte verdrücken können.
    Um nicht aufzufallen, legte ich die Strecke auf der Parallele zurück. Joggend brachte ich jeweils die Länge von fünf oder sechs Grundstücken hinter mich bis zur nächsten Querstraße, harrte an der Ecke, bis er einen Quadranten tiefer auftauchte und die Straße überquerte, an deren oberem Ende ich lauerte, und so fort bis zur Hauptstraße, die in dieser Frühe, es war kurz nach vier, noch autofrei war. Ein einziges Taxi wartete, der Fahrer war eingenickt. Wir waren am Bahnhof. Verschlafene Frühaufsteher strebten der ersten Bahn zu. Der Lockige ging mit seinen Plastiktüten zum Vordereingang. Ich beeilte mich, die Hintertreppe zu erreichen, kam gerade hin, als oben der Zug einfuhr, stolperte atemlos hinauf, sprang mit dem Türenklappen in den letzten Wagen und fuhr nun mit ihm stadteinwärts.
    Wozu eigentlich? Und was weiter? Um ihn nicht aus den Augen zu verlieren, musste ich neben der Tür stehen bleiben und an jeder Station unauffällig den Kopf hinausstrecken.Um halb fünf, wir waren in Altona, stieg er aus, ganz vorn, ich ganz hinten. Getrennt durch dreißig oder vierzig Leute, die um diese Zeit zu ihrer rätselhaften Arbeit fuhren, warteten wir. Er war dunkel gekleidet, doch an den prallen Plastiktüten unterm Neonlicht leicht zu erkennen. Einmal linste er herüber. Konnte er mit meiner Gestalt etwas anfangen, mit meinem Gesicht? Sicher nicht. Ein Foto von mir hatte sie nie aufgestellt.
    Der nächste Zug rollte von Norden ein und hatte als Ziel eine Station im Süden weit jenseits des Hauptbahnhofs. Wieder beugte ich mich bei jedem Halt witternd hin aus. Für die anderen im Abteil musste es aussehen, als hielte ich Ausschau nach Kontrolleuren, was auch nicht abwegig war; zum Lösen einer Fahrkarte war ich nicht mehr gekommen.
    Die Strecke bis zum Hauptbahnhof kannte ich. Weiter jenseits davon, jedenfalls in Richtung Süden, war ich nie gelangt. Gläserne Bürotürme in Hammerbrook, eben voller Aliens auf der Erde gelandet, hell beleuchtet – vielleicht weil irdische Putzkolonnen sich durcharbeiteten. Die donnernde Fahrt über eine Brücke, unten dehnte sich schwarz die Elbe, die Uferlinien waren an den Lichtmeridianen der Kais zu erkennen. Exotisches Territorium. Veddel. Jetzt waren wir bereits auf einer der Elbinseln, deren eingedeichtes Land unterhalb des Wasserspiegels lag. Bei der großen Sturmflut vor fünfzig Jahren waren hier zu Hunderten Leute in Lauben und Wellblechhütten ertrunken.
    Ausgerechnet hier stieg er aus. Mit ihm ein halbes Dutzend andere, die ihm zu ähneln schienen. Unten hielt ein Bus und ließ die Hydraulik zischen. Als wären sie miteinander verabredet, stiegen sie alle ein. Als fremder

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