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Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Titel: Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Bittrich
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Touristlöste ich einen Fahrschein, zur Buße gleich eine Tageskarte, und kauerte mich in die letzte Bank. Die Fahrt ging durch die Ödnis von Kleingartenkolonien und unbestimmbaren Gewerbeanlagen. Der sonderbare Name der Haltestelle, an der die Gruppe nach kurzer Fahrt ausstieg, prägte sich ein: Fiskalische Straße.
    Von da an fuhr ich als einziger und verdächtiger Fahrgast allein weiter von Haltestelle zu Haltestelle, ohne dass jemand zustieg, bis endlich wieder eine S-Bahn-Station in den Blick geriet. Wilhelmsburg. Von hier musste ich zurückfahren können. Ein paar Minuten blieben, um den ausgehängten Umgebungsplan zu studieren. Gegenüber der Fiskalischen Straße war auf der Karte nur eine kleine Siedlung auszumachen, an einer kreisförmigen Straße. Der Name war durch die Zeitungen gegangen, daran erinnerte ich mich, nur nicht an den Zusammenhang.
     
    Am Nachmittag des folgenden Tages rang ich mich zu einem Anruf durch. Sie klang überrascht. Ob sie wieder etwas bräuchte, erkundigte ich mich möglichst beiläufig, ich würde ohnehin einkaufen gehen. Sie schwieg, als sei sie überrascht. Ich zählte auf, was ich mitbringen könnte, ziemlich genau das, was ich am Vortag zu ihr getragen hatte: Wein, Roastbeef, Bleu d’Auvergne, Baguettes, Sahne, Trauben, frische Feigen, Bitterschokolade. Vermutlich war ja nichts davon übrig.
    »Sag mal, was denkst du dir eigentlich?«, fragte sie so scharf, dass eine Böe aus dem Hörer fuhr. Die Wucht blies mich auf meinen schlecht gefederten Stuhl.
    »Wieso?«, kratzte ich meine Stimme zusammen. »Was meinst du denn?«
    »Das weißt du doch genau, du Vollidiot!« Diese Wut kannte ich nicht. »Erst hockst du eine Nacht lang als geiler alter Spanner auf der Gartenmauer ... «
    »Doch nicht eine Nacht lang«, murmelte ich klitzeklein.
    »Sogar die Nachbarn haben mich heute gefragt, was für ein durchgeknallter Stalker das ist! Und dann beschattest du Manusch und fährst ihm durch die ganze Stadt hinterher wie ein total bescheuerter Schwachkopf von abgefucktem Privatdetektiv!«
    » Wem hinterher?«, krächzte ich.
    »Manusch!«, rief sie aus, als müsste ich diesen Namen seit langem kennen. »Und du kannst dankbar sein, dass er dir nicht die Fresse eingeritzt hat! Verdammt dankbar!«
    Solche Worte hatte ich niemals von ihr vernommen. Sie passten auch nicht zu dem gezierten Jugendstil-Scherenschnitt, von dessen Ranken ich sie umgeben sah. Hatte sie diese Sprache von diesem Manusch übernommen? »Wer ist denn das?«
    »Das kann dir doch egal sein, du Blödmann!«
    Ich nahm jede Beschimpfung dankbar an. Immerhin steckte Leidenschaft dahinter.
    Und dann fiel es mir ein. Natürlich! Jetzt wusste ich, in welchem Zusammenhang ich den Namen der Siedlung gegenüber der Fiskalischen Straße gelesen hatte. »Er ist Zigeuner! Da draußen in Wilhelmsburg wohnen Zigeuner!«
    »Gott, wenn ich das schon höre, Zigeuner! Er ist Sinti!« »Ah, ach so, ja, stimmt, das klingt viel besser.« Ich gewann ein wenig Boden zurück.
    »Du bist Antiziganist!«, stellte sie klar.
    »Und du das genaue Gegenteil«, vermutete ich.
    »Ja, ganz richtig, ich bin Mitglied einer Kulturinitiative«, erklärte sie ruhiger.
    »Und gestern Nacht war Lagebesprechung? Na, ich gönne es dir«, log ich. »Wirklich, ganz ehrlich, ich gönne es dir, wenn er ein guter Liebhaber ist.«
    »Du kannst immer nur bis drei zählen! Ich interessiere mich für die Kultur !«
    Mir schwebte eine Siedlung vor Augen, aus vierzig bis fünfzig städtisch finanzierten Häuschen, mit aufgestemmten Wänden für den leichteren Zugang zum Wohnwagen im Garten, besiedelt von einem verschworenen Clan unter der Fuchtel eines goldblitzenden Alten, eine riesige Großfamilie, umgeben von funkelndem Nippes, Plastikblumen, badewannengroßen Kochtöpfen und Home Cinema auf neuestem Stand.
    »Django Reinhardt war auch Sinti«, belehrte sie mich. »Und Ferenc Snétberger.«
    Tatsächlich hatte sie in letzter Zeit Musik von den beiden gehört. Arglos hatte ich sie mitgenossen. Das fügte sich jetzt erst ins Bild.
    »Ist er denn Musiker, der Typ?«, fragte ich so völkerintegrierend wie möglich.
    »Sie haben ein Jazzorchester«, erzählte sie mit hörbarem Stolz. »So habe ich ihn kennengelernt. Bei einer Charity-Veranstaltung für die Initiative. Sie wollen dem Wort Zigeuner eine neue Würde verleihen. Er bringt mir Romanes bei. Das ist ihre Sprache.«
    Du meine Güte.
    »Gut, dass du sie lernst!«, rief ich. »Du weißt ja, dass du jetzt mit ihm

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