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Ungleiche Paare

Titel: Ungleiche Paare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Bittrich
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weltverändernde Offenbarung der ersten Begegnung wiederholte sich nicht. Lag es an meinem löcherigen Schlaf? Noch hatte ich mich an das Bett im Eremitenhaus nicht gewöhnt.
    »Na, seit Sie hier sind, Theresa, steigt der Umsatz, stimmt’s?«, frohlockte ein dumpfbackiger älterer Herr, der wie ein pensionierter Gemeindebeamter aussah. »Der junge Mann hier«, tönte er und wies mit einer Kopfdrehung auf mich, »kauft doch sicher nur Ihretwegen hier ein!«
    Ich lächelte bescheiden und hob die Hände zu einem Vielleicht . Als er eingetreten war, hatte ich mich dem Zeitungsständer zugewandt, und dort stand ich immer noch, als er den Laden verließ. Durch die offene Tür kam gleich der Nächste. Es ging immer so weiter. So viele Einwohner konnte das Dorf gar nicht haben. Nach einer halben Stunde zog ich ab, mit einer Tüte Reis und einer durchfeuchtetenGemüsepackung aus der Kühltruhe. Bedient hatte sie mich wie jeden anderen auch.
    Theresa also. Weil sie mich nur mit Mühe wiedererkannt hatte, stellte ich mir auf dem Rückweg ihr Gesicht ohne Haut vor. Na also. Das sah ja nun wirklich nicht gut aus. Beauty is only skindeep, wie es auf Tibetisch heißt. Allerdings, Sogyal Rinpoche selbst, der Übermittler dieser bewährten Technik, befolgte sie selbst offenbar selten, nur bei Müdigkeit und Abgeschlagenheit, um ein spirituelles Groupie hinauszukomplimentieren. Sonst taxierte er Frauen unskalpiert, samt schimmernder Haut und Haaren. Das war das Privileg eines Lehrers: die Weisheiten, zu denen er Schülern rät, muss er selbst nicht befolgen.
    Fast war ich schon so weit. Auch bei mir hielt die Wirkung der tibetischen Technik nicht vor. Der Nachduft von Theresas Körperlichkeit wirkte stärker. Ihre Anziehungskraft wuchs mit der Entfernung wieder. Es blieb mir nichts übrig, als die nächste Sitzeinheit mit einem tantrischen Versuch zu verbringen. Zu fordernd war das Pochen der sakralen Zone. Also stellte ich mir vor, Luft einzusaugen mit diesem nicht zum Atmen erdachten Rüssel und die Energie an den Schwellkörpern vorbeizuschleusen und aufwärtszuziehen. Es konnte nur eine Autosuggestion sein, doch sie war reizvoll: einen pulsierenden Lichtstrom zu schaffen, der von jedem Atemzug neu angeschoben wurde, immer von unten nach oben, kribbelig die Wirbelsäule entlang unter Anfunken jedes dankbaren Chakras, hinauf bis zum Scheitelpunkt und zu meinem allmählich immer deutlicher aufgehenden Heiligenschein. Sicher war noch häufigeres Üben nötig. Doch die Erleuchtungskraft wuchs.Den Sonntag verbrachte ich einatmend, ausatmend, mit verblassenden Traumsplittern und bewegungslosem Körper. Der Kühlschrank surrte, Assoziationsketten trieben durch die Stille. Das Lied des Laubsängers schuf eine geometrische Figur. Nichtdenken und Kommentare wechselten wie Felder auf einem Schachbrett. Spaziergänger waren zu hören auf dem Wanderweg vor dem Haus, ihre Stimmen, ihr Gelächter, hereintreibend, verstummend. Eine Fliege summte beharrlich gegen das Fenster und gegen das wachsame Desinteresse. Wasser trinken, Weizen kauen. Am Montag registrierte ich friedvolle Ruhe und leichte Verspannungen, Krähenrufe und das Rollen des Zuges durchs Zimmer von rechts nach links, irgendwann später von links nach rechts. Objekte flossen vorüber in sanfter Aufmerksamkeit. Einmal absonderliches Rumpeln im Gartenschuppen. Sonst nichts. Nur offene Bewusstheit bis zum Abendgesang der Amsel. Die Gletscher schmolzen ins wachsende Nichts.
    Der Schlaf blieb schlecht. Das Bett stand am falschen Platz. Und ich bewegte mich zu wenig. Daher die energetische Überladung. Ich sollte joggen. Den Donauwanderweg hinab, nicht gleich bis zum Delta, wohin er angeblich führte; aber wenigstens bis zur Steinbrücke und oberhalb des Dorfes zurück. Nach der Zugdurchfahrt konnte ich sogar gelassen die Eisenbahnbrücke zur Donauquerung benutzen.
    Am Dienstag hatte die Bäckerei von acht bis zwölf geöffnet. Ich beschloss, genau um fünf vor zwölf den Laden zu betreten. Kein schwadronierender Pensionär würde sich über den Tresen lehnen, allerdings wäre auch keine Ware mehr da. Ich könnte anbieten, beim Aufräumen zu helfen.
    Eine Minute vor Schluss war ich da. Von der Abteikirche läutete die Mittagsglocke. Theresa war über einen Zettel mit Zahlenkolonnen gebeugt. Sie sah unwillig hoch, als ich eintrat. Dann der Anflug eines Lächelns. Ich entschuldigte mich, die Meditation hätte so lange gedauert.
    »Sie wohnen doch gar nicht mehr im Meditationshaus«, merkte

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