Ungleiche Paare
welche Art Amerikanerinnen er bei der privaten Meditation bevorzugte und mit welchen geflüsterten Weisheiten er sie segnete.
War das schlimm? Überhaupt nicht, fanden Björn und ich, wir hart geprüften Langzeit-Meditierenden. In geweihten Sphären hatte es von jeher ein hierarchisches Gefälle gegeben. Und nicht nur die Gurus, mehr noch die Jünger versuchten es zu wahren. Da lag die Weitergabe mystischen Lichts gegen weltliche Dienste nahe. Ein paar aufbegehrende Frauen mochte es immer geben. Zum Glück. Sie waren besonders anziehend.
»Lohengrin und Elsa!«, warf Björn in die Runde, weil er auch etwas beitragen wollte, und gern etwas Überraschendes. In diesem Fall ein Beispiel aus der Geschichte abendländischer Guru-Schüler-Beziehungen. Ich war ausgewiesener Eremit; ich durfte schweigen.
»Die Elsa hat doch den Zauber vermurkst«, erklärte Björn der Runde. »Die Übertragung des Lichts, die Befreiung, die Erlösung, alles vergeigt! Die Weitergabe des Unsagbaren! Lohengrin war der Guru, sie die bodenständige Geliebte. Sie hätte sein Geheimnis ganz gut unberührt lassen können. Aber das schaffte sie nicht! Sie konnte ihm sein Geheimnis partout nicht lassen. Ja, warum zum Teufel, könnt ihr Frauen das nie?«
Das war dreist und gewollt. Abenteuerlicher Vielklang weiblichen Protestes. Selbstzufriedener Björn. Ich blieb ernst. Jedes Geräusch war eine Dharma Bell . Eine Einladung, noch tiefer zu sinken. Ging das hier, bei dieser Vielzahl glockenhafter Einladungen? Nun ja, mit Mühe.
Der Pater rang keineswegs verzweifelt die Hände. Er hätte Björn Vorwürfe machen können. Doch gerade diese Herausforderung stellte ihn zurück aufs Gleis seiner Weisheit.
»Können wir den Zorn spüren?«, fragte er in die kochende Runde. »Und nur den Zorn – ohne den Inhalt der Gedanken. Können wir ihn da sein lassen? Die reine Energie, die sich jetzt erhebt? Die uns in Wellen zu überschwemmen droht – können wir sie fühlen ohne Objekt, auf das die Wut sich richten möchte? Spüren wir einfach nur die Kraft, die geerdete Kraft, wie sie jetzt vom Basis-Chakra her aufsteigt!«
Das kam gut an.
»Das ist unsere eigene Energie. Wir würden sie verschleudern,wenn wir sie nach außen richten würden. Deshalb spüren wir sie einfach. Wie sie aufsteigt und zu Licht wird. Wir genießen sie.«
Das taten die Frauen. Wir staunten. Womit der Frieden überraschend wiederhergestellt war. »Auf diese Weise«, schloss der Pater und sah uns etwas länger an, »können wir mit jeder Energie verfahren.«
Als Resümee des Wochenendes prägte sich uns jedoch das eigentliche Wunder ein: dass Kalu Rinpoche, der auf Fotos klapprig wirkte, bereits siebzig gewesen war, als er die Affäre mit der Dreißigjährigen begonnen hatte. Und dass er dann zehn Jahre lang weitermacht hatte, bei bester Gesundheit. Erst jenseits der achtzig war ein Schwinden seiner sakralen Fähigkeiten zu beobachten gewesen. In seinen letzten vier Jahren war ihm nur noch die Erleuchtung geblieben. Dann war er gestorben oder hatte zumindest seinen Körper verlassen. Was für ein vorbildlicher Lebensweg! Mochte auch, nach zehnjähriger Schamfrist, seine ehelose Witwe mit Memoiren herausgerückt sein. Das störte ihn nicht mehr.
Es störte seine Jünger. War es verwerflich, dass sie seine Geliebte nach dem Erscheinen des Buches als Hexe darstellten? Nein, es passte perfekt. Es gehörte zur wunderbaren Geschichte der ungleichen Paare. Sie wurde mit immer neuen verlockenden Beispielen fortgesetzt. Früher hatte es ganz offiziell Tempelprostituion gegeben. In Indien, Ägypten, Babylon, Kanaa. Dort hatten sich junge Frauen den Priestern und Pilgern und frommen Asketen hingegeben. Die fällige Spende ging an die Tempelkasse. Warum sollte das jemals aufhören?
Adieu, Seminarhaus. Willkommen, Frühling. Gegrüßet seiest du, kleine Klause!
Mit dem Wissen über Mönche und ihre Schülerinnen sollte mir der Besuch der Bäckerei doppelt Spaß machen. Wunderbar, Widerstand zu üben gegen den herrlichen Duft der Sinnlichkeit dort! Duft der frischen Backwaren und des noch viel frischeren Mädchens, das schwarzbraun dem Haselbusch entschlüpft war, taufrisch und springlebendig, gerade noch rechtzeitig den Netzen der Jäger entkommen!
Ein paar Jäger allerdings standen im Laden, wie ich nach dem Retreat irritiert zur Kenntnis nehmen musste, Kunden, die von der Kastanienlockigen genauso charmant bedient wurden wie in der Vorwoche ich. Skepsis nagte an meinem Enthusiasmus. Die
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