Ungleiche Paare
Angst, dich zu verlieren, wird von Jahr zu Jahr wachsen. Das ist die Garantie, dass ich mich gut benehme!«
Das war nun etwas zu laut gewesen. Eine kultivierte Dame legte bittend den Finger auf ihre Lippen. Sie wollte lauschen, nicht uns, einem lebendigen ungleichen Paar, sondern den Erläuterungen zur Historie. Die Rote war eben dabei, den Raum als Hochzeitszimmer anzubieten; Paare aus aller Welt gäben sich hier das Jawort, man sei gerne bereit und so weiter. Sie war an den Schluss gelangt.
»Merken Sie sich also«, hörten wir sie zusammenfassen, »die reife Frau und der junge Troubadour. Daneben die Schöne und das Biest, dann hier: der Mönch und die Hexe, und natürlich unser Gothaer Liebespaar, der Edelmann und das einfache Mädchen – das sind die Urmodelle allerungleichen Paare. Alle andere Varianten lassen sich darauf zurückführen.«
Die gütige Dame hatte an den Fingern mitgezählt und runzelte die Stirn. Stimmte was nicht? Nein, da fehlte noch etwas.
»Wollen wir uns einfach reinzwängen?«, flüsterte ich Josephine zu.
»Wozu denn das?« Es widerstrebte ihr, sich vorzudrängen und aufzufallen.
»Bitte! Komm!« Ich fasste sie beherzt an der Hand und zog sie gegen unentschlossenen Widerstand in den dampfend gefüllten Raum. Die Rote erkannte uns sofort.
»Ach ja!«, rief sie. Nun kam ihr in den Sinn, was sie vergessen hatte.
Ich zog Josephine unter das ruhmreiche Bild. Ich war der Edelmann, sie das Aschenputtel. Oder?
»Josephine!«, rief ich. »Willst du meine Frau werden?«
Irritation bei den Kulturreisenden, ratloses Flüstern, stumme Verblüffung, doch kein Protest. In manchen Museen wird Theater gespielt, das mochte auch hier der Fall sein. Die Gouvernante bestaunte uns offenen Mundes, aber auch mit einem Anflug von Wärme. Josephine war rot geworden, nicht wegen der Frage, sondern wegen meines miserablen Benehmens.
Die Gouvernante, verwirrt, doch vielerfahren, unterrichtete die Zuhörer: »Diese Paarung hatte ich eben tatsächlich vergessen, es ist vielleicht die häufigste.«
»Der Tattergreis und das junge Mädchen«, ergänzte ich für alle. Und noch einmal zu meinem Mädchen, nun flehend, beschwörend, betend, wie es diesem heiligen Raum angemessen war: »Josephine, ich liebe dich! Undich frage dich noch einmal: Willst du meine Frau werden?«
Der Raum war nun zum Ersticken voll. Auch die Letzten, die draußen gelangweilt gewartet hatten, waren unter Missachtung feuerpolizeilicher Vorschriften puffend und drängend eingesickert. Von wegen Wunderkammern des Herzogs. Hier gab es etwas zu sehen!
Fühlte Josephine sich überrumpelt? Und wenn schon. Die Zeit langwierigerer Eheberedungen war vorbei. Das Glück war ohne Planung verfügbar.
Also: »Willst du?«
»Ja«, sagte sie leise.
Und wir küssten uns unter dem Bild. Beifall. Rührung. Rufe. Tränen. Abschmelzen der Polkappen.
Doch, ja, ich glaube, so ist es gewesen. Und, ich wage es kaum zu berichten, es geht gut! Während ich dies schreibe, in unserem Gartenhäuschen, meiner nachmittäglichen Mönchsklause, wirtschaftet Josephine in der Villa, ehemals Besitz meiner Erbtante. Ich glaube, Josephine verhandelt gerade mit dem Musiklehrer unseres kleinen Sohnes. Sie hat Zeit. Sie weiß, dass ich mich hier konzentriere. Ich habe mir das Gemälde meiner Eltern aufgehängt, das Bild von der lebenslustigen Frau und dem Hypochonder. Es ist die inspirierende Erinnerung daran, dass ungleiche Paare zuweilen Großartiges auf den Weg bringen.
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