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Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Titel: Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Wilfling
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gebrochen.
    Wie aber sonst gelangte der Täter auf den Balkon in zehn Metern Höhe? Denn dass er von dort aus in die Tatwohnung eingedrungen sein musste, dafür sprach das kreisrunde Loch, das aus dem Glas der Balkontür in Höhe des Feststellhebels mit einem Glasschneider herausgeschnitten worden war. Und weil die Glasscherben folgerichtig im Inneren des Raumes lagen und nicht wie bei vielen vorgetäusch ten Einbrüchen außerhalb, war augenscheinlich, dass der oder die Täter nur auf diesem Weg in die Wohnung eingestiegen sein konnten. Aber mit Ausnahme des dünnen, dafür ungeeigneten Tännchens gab es an der glatten Hauswand keine Kletterhilfen, und selbst vom Balkon im ersten Stock aus wäre es nicht möglich gewesen, bis in den zweiten Stock zu gelangen. Außerdem fanden sich dort nicht die geringsten Spuren. Solche jedoch hätten vorhanden sein müssen bei dem üppigen Bewuchs, der keinen Zentimeter freiließ. Und dass jemand mit einer Leiter durch die Gegend gezogen sein könnte, schien äußerst unwahrscheinlich.
    Abgesehen davon fragten wir uns, warum jemand es ausgerechnet auf diese unauffällige ältere Dame abgesehen hatte. Nach großem Reichtum sah es hier nicht aus. War es vielleicht ein Junkie, der dringend ein paar Euro für Stoff brauchte und sich auch mit geringer Beute zufriedengab? Aber hätte der sich nicht für eine Wohnung im Erdgeschoß entschieden?
    Dass jemand in der Tatwohnung nach Beute gesucht hatte, war jedenfalls völlig offensichtlich. Im Wohnzimmer standen beliebige Schubladen der Eichenschrankwand offen, der Inhalt lag wahllos am Boden verstreut. Und inmitten dieses Chaos befand sich die Leiche der 61 -jährigen Gerda V. Sie lag auf dem Rücken, den Kopf nach hinten überstreckt, Mund und Augen weit aufgerissen. Wie es bei Toten der Fall ist, die nach Luft japsen und dann doch qualvoll ersticken – oder erstickt werden. Kein schneller Tod, wie man weiß.
    Wie immer in solchen Situationen fragte ich mich, was wohl in dieser Frau vor sich gegangen sein mochte in den letzten Augenblicken ihres Lebens. Ob sie ihren Mörder gekannt hat?
    Bekleidet war die Tote mit einem Nachthemd, da runter trug sie Unterwäsche, und nichts ließ auf ein Sexualdelikt schließen, was sich später bestätigen sollte. Dass bei weiblichen Opfern, egal welchen Alters, diese Möglichkeit generell in Erwägung gezogen wird, ist der Tatsache geschuldet, dass nicht nur junge Frauen Opfer von Sexualmördern werden, sondern auch ältere.
    Ihre Hälfte des Ehebetts im Schlafzimmer war benutzt, die andere unberührt. Sie musste wohl noch einmal aufgestanden und ins Wohnzimmer gegangen sein, wo sie dann angegriffen und getötet wurde. Dafür sprachen auch die Hausschuhe, die unordentlich neben der Couch lagen, als habe sie diese verloren, vermutlich während des Kampfes, der stattgefunden haben dürfte.
    War sie aufgewacht, weil sie Einbruchsgeräusche hörte? Hatte sie den Einbrecher überrascht? Falls ja, wann durchwühlte der die vielen Behältnisse ? Bevor die Frau auftauchte, oder nachdem er sie getötet hatte? All dies dürfte nicht geräuschlos abgegangen sein. Sollte er die Wohnung nach der Tötung weiter durchsucht haben, würde es sich um atypisches, extrem kaltblütiges Verhalten handeln. Einbrecher flüchten normalerweise, wenn sie entdeckt werden, und vermeiden jeden körperlichen Kontakt. Egal was sich letztendlich herausstellen würde, das Szenario wirkte irgendwie konstruiert: Eine ältere Dame im zweiten Stock eines großen Mietshauses in einer hellhörigen Wohnanlage wurde von einem Einbrecher heimgesucht, der sie auch noch tötete? Mir fiel kein vergleichbarer Fall ein.
    Tote an einem Tatort, egal an welchem, bedingen immer die Einschaltung der Mordkommission. Dabei war es unerheblich, ob Gerda V. durch Gewalteinwirkung starb oder ob sie rein theoretisch vor Schreck einem Herzinfarkt erlag. Und falls die Frau umgebracht wurde, machte es keinen Unterschied, ob dies vor dem Hintergrund eines echten oder eines vorgetäuschten Einbruchs geschah. Im Grunde genommen war es der Täter selbst, der die Todesermittlungen in Gang brachte, was eher ungewöhnlich ist. In der Regel sind Mörder bemüht, ihre Tat zu vertuschen und ein natürliches Ableben vorzutäuschen.
    Entdeckt wurde die Tat von Karin L., der Tochter der Ermordeten. Sie war Mitte 30 , examinierte Krankenschwester und Mutter dreier Kinder. Sie hatte Gerda V., die noch stundenweise bei einem Immobilienmakler arbeitete, den ganzen Tag über nicht

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