Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers
Schlafzimmer. Daisy, Deutschlands berühmtester Hund, jaulte unterdessen hinter der Tür. Das war im Mordjahr 2005. Dass dieses bundesweit aufsehenerregende Verbrechen innerhalb von zwei Tagen geklärt werden konnte, war der DNA , dem sogenannten genetischen Fingerabdruck, zu verdanken.
Revolution DNA
Tatsache ist, dass der Rückgang der Tötungsdelikte in Deutschland zeitlich einhergeht mit dem Aufkommen einer Untersuchungsmethode, die nach und nach verbessert wurde und inzwischen höchsten wissenschaftlichen Standard erreicht hat. Es ist die revolutionärste Innovation in der Kriminalgeschichte seit Entdeckung der Daktylo skopie vor circa 150 Jahren. Inzwischen ist sie in aller Munde und in jedem Fernsehkrimi wird darauf Bezug genommen. Wie entscheidend die menschliche DNS (Des oxyribonukleinsäure) beziehungsweise die normalerweise verwendete englische Bezeichnung DNA (Desoxyribo nucleinacid) bei der Aufklärung von Verbrechen geworden ist, kann man an den sogenannten Altfällen ablesen, die zu einer wahren Erfolgsgeschichte nicht nur in der Krimiwelt (Cold case – kein Opfer ist je vergessen) wurden.
Allein in München konnten seit der Jahrtausendwende 20 Mordfälle geklärt werden, die teilweise schon Jahrzehnte zurücklagen, der längste sage und schreibe 30 Jahre. Drei jugendliche Täter lauerten seinerzeit einem zufällig des Weges kommenden 47-jährigen bekannten Berufsmusiker an einer dunklen Friedhofsmauer auf, erschlugen ihn mit einem Knüppel, raubten ihn aus und konnten unerkannt entkommen. 30 Jahre später – Mord verjährt nicht, und der Knüppel war noch as serviert – konnte männliche DNA am Tatwerkzeug analy siert und einem in Norddeutschland lebenden Mann zugeordnet werden, der ebenso wie ein zweiter Täter auf der »schiefen Bahn« geblieben war. Über diese beiden kam man auch dem dritten Täter, der dank einer Frau den Weg ins bürgerliche Leben geschafft hatte, auf die Spur. Er war inzwischen Familienvater, in die Dorfgemeinschaft integriert, beliebt und angesehen.
Als die Kollegen bei ihm läuteten, wusste er sofort, worum es ging, und sagte: »Ich habe 30 Jahre lang vor diesem Moment Angst gehabt. Aber ich wusste, dass er kommt.«
Seine Frau wusste übrigens Bescheid. Da er beteuert hatte, nur dabeigestanden und selbst nicht zugeschlagen zu haben, hielt sie zu ihm. An seiner Mittäterschaft änderte das freilich nichts.
Bei ihrer Verhaftung waren die drei Männer genauso alt wie ihr Opfer seinerzeit, nämlich 47 Jahre. Da sie zur Tatzeit noch minderjährig waren, mussten sie sich vor dem Jugendgericht verantworten. Alle drei waren geständig, bei allen dreien hatte es sich um Herumtreiber gehandelt, die sich zufällig am Münchner Hauptbahnhof kennenlernten und sich zum Überfall auf einen »alten Knacker« entschlossen, um an Geld zu kommen. Da Einzelheiten wie Alkoholeinfluss oder psychischer Zustand nach so langer Zeit nicht mehr nachzuvollziehen waren, wurden Haftstrafen weit unter der Höchststrafe von zehn Jahren verhängt.
Für die betagte Witwe des Musikers, die 30 Jahre lang gehofft hatte, doch noch zu erfahren, was damals geschah, war die Nachricht von der Festnahme eine Erleichterung und Erlösung. Wobei ihr die Bestrafung der Täter nicht wichtig war. Im Gegenteil, sie wollte keine Rache und legte keinen Wert auf Sühne.
»Jetzt kann ich endlich zur Ruhe kommen«, sagte sie.
In keinem der 20 aufgeklärten Altfälle wäre man ohne die Treffer in der DNA-Datenbank auf den oder die Täter gekommen. Die meisten von ihnen waren dort wegen verschiedenster Delikte erkennungsdienstlich erfasst, einige sogar wegen Bagatelldelikten, keiner wegen Tötung. Heute ist die systematische Überarbeitung alter Mordfälle und anderer Verbrechen bundesweit Usus. Eine Erfolgsgeschichte, durch die zwischenzeitlich Hunderte von Fällen aufgeklärt werden konnten. Und die sich herumgesprochen hat …
Die Untersuchungsmethoden wurden inzwischen so verfeinert, dass bereits geringste Mengen menschlicher Haut zellen, die wir permanent mit jedem Schritt verlieren, für die Analyse genügen. Niemand kann mehr einen Raum durchschreiten, ohne Spuren zu hinterlassen, die ihn verraten. Hinzu kommen geringfügigste Blut-, Sekret- oder Haarspuren, die den Verursacher von Milliarden anderer Menschen unterscheiden. Damit ist die DNA, die es auch bei Tieren und Pflanzen gibt, zu einer der wirksamsten Waffen im Kampf gegen das Verbrechen geworden und hat sicherlich eine hohe abschreckende
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