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Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Titel: Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Wilfling
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Zweibettzimmer eines großen Altenheims untergebracht. Mitten in der Nacht wähnte sie ihre Mutter im Nachbarbett, krabbelte hinüber und fühlte sich vermutlich in ihre Kindheit zurückversetzt. Jedenfalls hüpfte sie auf ihrer 92-jährigen Zimmerkollegin, die an fortgeschrittener Osteoporose litt, so lange herum, bis diese tot war. Dann kroch sie in ihr eigenes Bett zurück.
    Als man am nächsten Morgen das Unglück entdeckte, entfernte man stillschweigend die Verstorbene, obwohl man vom nächtlichen Besuch Luises im Bett ihrer Nachbarin wusste. Hatte sie doch selbst voller Freude darüber berichtet. Dann allerdings passierte etwas, das den eigentlichen Skandal ausmachte: Noch am selben Abend schob man die nächste Patientin zu Luise ins Zim mer, eine 94-Jährige, die an nicht minder schwerer Osteo porose litt.
    Prompt verspürte Luise auch in der darauffolgenden Nacht das Bedürfnis, zu ihrer Mama ins Bett zu kriechen und mit dieser zu spielen, und prompt überlebte auch diese Mitbewohnerin den spontanen Besuch nicht. Da diese alte Dame im Gegensatz zum ersten Opfer Angehörige hatte, die misstrauisch wurden und die Polizei einschalteten, konnte zumindest verhindert werden, dass man Luise noch weitere lästige Patientinnen zur »Entsorgung« überließ.
    Als mein Kollege und ich am »Tatort« eintrafen, saß Luise auf einem Stuhl vor ihrem Zimmer, einen Teddybären im Arm, strahlte über das ganze Gesicht und vertraute uns mit flüsternder Stimme ein Geheimnis an: »Heute Nacht war meine Mama da«, sagte sie freudig erregt wie ein kleines Kind und verriet uns auch noch, dass Mama in der nächsten Nacht wiederkommen würde.
    Luise war strafrechtlich nicht zur Verantwortung zu ziehen und kam in eine geschlossene Abteilung, wo sie ihr Einzelzimmer nicht mehr unbeaufsichtigt verlassen konnte. Die Ermittlungen verliefen im Sande. Niemandem von dem völlig überforderten, stark unterbesetzten und ständig wechselnden Personal war grob fahrlässiges Handeln nachzuweisen, geschweige denn vorsätzliches. Alle wiesen die Verantwortung von sich, schoben sie auf andere. Insgesamt offenbarten sich Zustände in dieser riesigen, sehr unpersönlichen »Altenverwahranstalt«, die einfach nur traurig stimmten.
    Als mein Kollege und ich den Tatort verließen, sagte dieser: »Hoffentlich lande ich nie in einer solchen Anstalt. Lieber sterbe ich vorher. Da ist man ja schlimmer dran als die Tiere im Zoo.«
    Der Arzt, der die Totenscheine ausgestellt hatte, war in beiden Fällen von einem natürlichen Tod ausgegangen, was ohne Folgen für ihn blieb. So schlossen wir die Akten mit dem Vermerk, dass nicht Luise verantwortlich war, sondern andere. Nur wer?
    Das Problem liegt darin, dass in Deutschland jeder Arzt, ob qualifiziert oder nicht, die Leichenschau durchführen kann. Dass dabei insbesondere Hausärzte, die ihre Patienten und deren Familien oft Jahrzehnte kennen, nicht mit der gebotenen Objektivität vorgehen, dürfte außer Zweifel stehen. Ein unbekannter Insider schrieb zu dieser Problematik im Internet:
    »Vorbild Österreich: In der Wiener Sensengasse gehen Rechtsmediziner schon seit fast 200 Jahren auf kriminalistische Spurensuche. Für die Österreicher ist es selbstverständlich zu obduzieren, um Todesursachen zu ermitteln. Die Leichenschau wird ausschließlich von amtlich bestellten und besonders qualifizierten Ärzten durchgeführt. Der Hausarzt darf keinen Totenschein ausstellen. So entsteht mehr Distanz zu den Familienangehörigen. Während in Deutschland nur etwa 5 Prozent aller Leichen obduziert werden (davon 2 Prozent in der Rechtsmedizin), werden in Österreich etwa 20 Prozent der Verstorbenen obduziert. Die ermittelten Tötungsdelikte sind doppelt so hoch wie in Deutschland.«
    Dennoch leben wir in Deutschland – was Mord und Totschlag betrifft – auf einer Insel der Friedfertigen.

Der Scheißkerl
    W ir standen am 4 . Dezember um 21.00 Uhr im Hin terhof eines vierstöckigen Mietshauses in München- Ramersdorf, einer Wohngegend in Stadtrandlage, und rätselten darüber, ob man an der noch sehr jungen Tanne, die zwar bis zum Balkon der Tatwohnung im zweiten Stock reichte, aber noch sehr biegsam und instabil war, hätte hochklettern können. Meine Kollegen und ich kamen zu dem Ergebnis, dass dies selbst einem leichtgewichtigen Einbrecher nicht möglich gewesen wäre. Dafür war das Bäumchen zu schwach. Außerdem sah man keinerlei Spuren oder Schäden an den dicht gewachsenen Ästen. Kein einziger war geknickt oder

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