Universum der Doppelgänger
Goruble das Problem von sich aus gelöst hatte, indem er in den Transporteur gestolpert war, der ihn sofort aus ihrer aller Leben entfernt hatte. Lafayette hätte seinen Platz einnehmen und Prinzessin Adoranne ehelichen können, doch er hatte auf den Thron verzichtet und sich für ein glückliches Leben mit der lieblichen und treuen Daphne entschieden.
Lafayette seufzte und stand auf. Er trat ans Fenster und blickte hinaus. Unten im Palastgarten hatte man gerade den Nachmittagstee beendet. Die letzten Gäste schlenderten zu den Toren oder ergingen sich im Park; ein einsamer Diener eilte mit einem Tablett voll leerer Tassen und Teller und achtlos zerknüllter Servietten zur Küche. Ein Mädchen in einem kurzen Rock, der ein hübsches Paar Beine sehen ließ, wischte Kuchenkrümel von einem Marmortisch und rückte die Gartenmöbel zurecht. Der Anblick ihres kessen Kostüms gab Lafayette einen Stich von Heimweh. Wenn er seine Augen ein wenig zusammenkniff, konnte er sich beinahe einbilden, es sei Daphne, wie er sie zuerst gekannt hatte. Irgendwie war damals alles fröhlicher gewesen, dachte er mit einem Anflug von Melancholie, heiterer, einfacher. Natürlich hatte es auch Nachteile gegeben. Der alte König Goruble war ziemlich scharf darauf gewesen, ihm den Kopf abzuschneiden, und der Riese Lod hatte ähnliche Pläne gehabt, gar nicht zu reden von den komplizierten Problemen mit Graf Alain und dem Roten Bullen.
Aber nun waren Lod und der Drache tot – der schlechte Drache. Lafayettes eigener Drache, ein zahmes Iguanodon, war in einem aufgelassenen Pulvermagazin in der Nähe untergebracht und fraß täglich seine zwölf Ballen frisches Heu. Alain war mit Adoranne verheiratet, und nun, da es keinen Grund mehr zur Eifersucht gab, ein recht umgänglicher Mensch. Und der Rote Bulle hatte seine Memoiren geschrieben und betrieb eine malerische kleine Gastwirtschaft am Rand der Hauptstadt. Das Lokal trug den etwas sonderbaren, aber einprägsamen Namen »Zum Einäugigen«. Was Goruble anging, so wußte niemand, was aus ihm geworden war, seit er von seinem eigenen Transporteur so abrupt aus der Dimension befördert worden war. Daphne war natürlich so reizend und bezaubernd wie eh und je. Ihr Aufstieg vom Zimmermädchen zur Gräfin war ihr nicht gerade zu Kopf gestiegen – was Lafayette ihr hoch anrechnete –, aber irgendwie schien es, daß der gesellige Trubel des Hofes den größten Teil ihrer Zeit in Anspruch nahm. Es war nicht so, daß er wieder der gejagte Flüchtling zu sein wünschte, mit Daphne als in selbstloser Leidenschaft entbrannter Palastbedienung, aber…
Nun, es hatte wirklich den Anschein, daß heutzutage überhaupt nichts mehr passierte, was über den gewohnten Fahrplan von Zerstreuungen und Lustbarkeiten hinausging. Zum Beispiel dieses für den Abend angesetzte Galadiner! Lafayette seufzte wieder. Wie nett wäre es, allein mit Daphne in einem gemütlichen Schnellimbiß zu speisen, das blecherne Heulen einer Musikbox im Hintergrund …
Er schüttelte den Tagtraum ab. In Artesia gab es keine Schnellimbißstuben, kein Neon, keine Musikboxen. Aber es gab behagliche kleine Tavernen mit rußigen Balkendecken und eichenen Bierfässern und mit gebratenem Wildbret, wo man beim rauchigen Licht von Talgkerzen mit seinem Mädchen zusammensitzen konnte. Und es gab keinen Grund, warum sie nicht in einem solchen Lokal essen könnten. Sie mußten nicht an einer weiteren glanzvollen Angelegenheit teilnehmen.
Elektrisiert von seiner Idee, eilte Lafayette in den Ankleideraum, öffnete den mit Seidentapeten bezogenen Wandschrank und riß einen pflaumenfarbenen Rock mit Silberknöpfen aus der Reihe seiner Luxusgewänder. Nicht, daß er bei diesem Wetter einen Rock gebraucht hätte, aber das Protokoll verlangte es. Wenn er in Hemdsärmeln an die Öffentlichkeit träte, würden die Leute gaffen, Daphne würde sich aufregen, Adoranne würde die Augenbrauen hochziehen …
Das war es, was aus allem geworden war, dachte Lafayette, als er den Rock überzog und durch den Korridor eilte, konventionelle Routine. Stumpfer Konformismus. Bei den Göttern, hatte er nicht gerade diesem Schicksal entgehen wollen, als er noch ein armseliger technischer Zeichner gewesen und jeden Morgen um halb sieben aufgestanden war? Überdies, so erinnerte er sich, hatte er sich geographisch überhaupt nicht verändert. Artesia war an der gleichen Stelle der Landkarte wie Colby Corners; es war nur eine andere Dimension, eine, wo das Leben farbig und
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