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Unnatural History

Unnatural History

Titel: Unnatural History Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Green
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Quicksilvers erleichtern würde.
    Ulysses selbst hatte für sich beschlossen, diese Angelegenheit weniger subtil, dafür mit mehr Extravaganz anzugehen. Er trug eine Weste mit Leopardenmuster in Hellgrün und Purpur, die Krawatte mit einer Diamantnadel befestigt und den Stock mit dem Blutstein in seiner Hand. Er wollte, dass es Aufsehen erregte, wenn er zum zweiten Mal von den Toten zurückkehrte – obgleich er zuletzt doch als absolut und definitiv tot betitelt wurde, anstatt nur als vermisst und vermutlich tot .
    »Bereit?«, fragte er den Affenmann.
    Simeon nickte mit heraushängender Zunge, was ihn wie ein kleines übereifriges Hündchen aussehen ließ.
    Bedächtig bahnte sich Ulysses einen Weg durch die toten Monolithen der Fischverpackungsmaschinerie. Zwar mochte es draußen noch immer dämmrig sein, doch hier im Lagerhaus war es stockfinster. Die Scheiben der Dachluken über ihnen waren so grau und trübe, dass sie das schwache Restlicht kaum hindurchließen. Obwohl sich seine Augen immer besser an die Dunkelheit gewöhnten, wirkten die nahen Objekte auf Ulysses nach wie vor wie undefinierbare schwarze Brocken vor dem noch dunkleren Hintergrund des restlichen Lagerhauses. Obgleich er seine Taschenlampe zur Verfügung hatte, wollte er diese hier nicht nutzen und ungewollte Aufmerksamkeit auf seine Person lenken. Simeon schien sich an dem mangelnden Licht nicht im Geringsten zu stören und bewies überraschender Weise eine behände Geschicklichkeit darin, die verschiedenen Hindernisse, die ihnen im Wege standen, zu umgehen. Ulysses fragte sich, ob es doch einige Dinge geben mochte, mit welchen die primitiven Evolutionsformen besser zurechtkamen als der höher entwickelte Homo sapiens .
    Das Lagerhaus roch staubig und unangenehm feucht, nach Schmutz und verrottendem Holz. Doch da war noch etwas – irgendetwas Beißendes und unerfreulich Vertrautes – etwas, das beinahe unter dem Geruch alten Öls und rostzerfressenen Metalls unterging.
    Ulysses hatte den Verdacht, dass Simeon es ebenfalls riechen konnte – vielleicht sogar noch intensiver als er selbst –, da er immer wieder schnüffelte und dann den Atem anhielt. Nach jeder Inhalation wurde er unruhiger. An was ihn dieses Aroma wohl erinnern mochte? Wo hatte der Neandertaler es zuvor gerochen? Und wo hatte Ulysses es zuvor gerochen? Beinahe konnte er eine ekelhafte Süße schmecken. 
    Dann erklangen Geräusche. Mit jeder Bewegung durch das Lagerhaus wurden sie stetig deutlicher – gedämpfte menschliche Stimmen, das Rattern und dumpfe Schlagen von Maschinen, die an die Einrichtung von Darwinian Dawn in der Waterloo Station erinnerten.
    Ulysses fühlte Hitze an seiner Stirn prickeln. Waren die stickige Luft und die Hitze auf das Frühsommerklima zurückzuführen oder ein Resultat des industriellen Prozesses irgendwo in diesem Lagerhaus?
    Direkt vor ihnen zeichneten sich die Umrisse einer Tür ab. Die Glasscheibe darin war dermaßen mit Ruß verschmutzt, dass sie nahezu geschwärzt erschien, bis auf winzige Kratzer in dem Dreck. Silbrige Strahlen gedämpften Lichts durchbrachen die Dunkelheit, Staub wirbelte in Kaskaden goldener Partikel umher.
    Ulysses legte eine Hand auf die Klinke und ließ sie für einen Moment dort verweilen, dann stieß er die Tür mit einer schwungvollen Bewegung auf. Ein Hauch von irgendetwas Ungreifbarem traf ihn, führte ihn unverzüglich zurück in Professor Galapagos’ durchwühltes Büro und zugleich in den makabren Arbeitsraum, der sich unterhalb des Hauses in Southwark befand. Es war der schwelende Duft von Fleisch und Anis kurz vor dem Verkohlen, wie verdorbener Fenchel und Rinderragout.
    Simeon zögerte kurz, doch dann huschten beide durch die Tür, welche Ulysses schnell wieder hinter ihnen schloss. Alles, was sie im äußeren Bereich des Lagerhauses wahrgenommen hatten, verdichtete sich hier – die Hitze, der Lärm, die Gerüche – dennoch waren sie noch immer nicht im Zentrum der Operation angelangt. Obwohl es hier Licht gab und die Maschinen auf einen kürzlichen Gebrauch hindeuteten, war dieser Platz verlassen.
    Ulysses brauchte nicht lange, um den Verwendungszweck der Anlage vor ihm zu begreifen. Es waren die noch feuchten Fässer, die Länge der Glasrohre und der alles durchdringende Geruch nach Anis und ranzigem Fleisch, welche ihm Antwort gaben. Was auch immer es war, das Professor Galapagos in seinem Keller in Southwark gebraut hatte, man hatte dieselbe Substanz auch hier reproduziert, wenn auch in einem

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