Unruhe: Der erste Fall für Kommissar Steen (German Edition)
den Mikros gemacht?«
»Unter jedem Stuhl ist ein Funkmikrofon montiert«, sagte sie mit einem Lächeln, aus dem unverkennbar ein gewisser professioneller Stolz sprach.
Moussa fuhrt fort, seine und die Unschuld der Jungs vom Blågårds Plads an den Verwüstungen zu beteuern. Das Interview neigte sich allmählich dem Ende zu, als wieder Dorte Neergaards Stimme das Zimmer durchschnitt:
»Aber sind Sie nicht der Anführer der sogenannten Blågårds-Plads-Gang?«
»Es gibt keine Gang.«
»Aber es gibt doch wohl eine Hierarchie, an deren Spitze Sie stehen?«
»Kein Kommentar.«
»Gegen Sie und einige Ihrer Freunde wurden doch bereits zum Teil langjährige Gefängnisstrafen verhängt, wegen Nötigung, Körperverletzung und Drogenhandels.«
»Ich habe keine Lust, das zu kommentieren.«
»Warum nicht? Alle wissen das. Warum wollen Sie nicht darüber reden?«
»Ich will es einfach nicht.«
»Wenn ihr keine Gang seid, was seid ihr dann?«
»Wir sind Kameraden, die zusammenhalten, das ist alles. Die Polizei versucht, etwas gegen uns zu konstruieren, um das als Vorwand dafür zu benutzen, durch die Straßen zu kurven und Jugendliche zu verhaften. So geht das schon seit Jahren, und die jungen Leute sind es eben irgendwann leid, und dann gibt esReaktionen, aber wir sind keine Gang und wir haben mit den Unruhen nichts zu schaffen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Der Fotograf sah Axel und Henriette an.
»Einem solchen Dreckskerl sollte man das Recht auf freie Meinungsäußerung entziehen. Wie kann es sein, dass er einfach so dasitzt und mir nichts, dir nichts die unglaublichsten Schweinereien über uns verbreitet?«
Axel richtete den Blick wieder auf Moussa, die versammelte Journaille und die Schaulustigen auf der Straße. Das hier würde mit Sicherheit der Scoop des Tages werden. Natürlich bekamen Kriminelle immer mehr Redezeit und Platz in den Medien, aber es kam nicht jeden Tag vor, dass sich der Anführer der berüchtigtsten Einwanderer-Gang Dänemarks gegenüber der Presse zu Wort meldete.
Acht bis zehn von Moussas Leuten hielten sich in der Nähe der Journalistengruppe auf oder mischten sich unter sie. Dorte Neergaard wandte all ihre Überredungskünste an, um von einem von ihnen ein Interview zu bekommen, während ein Journalist vom BT mit Moussa diskutierte, doch legte einer von dessen Helfershelfern die Hand auf den Arm des Reporters. Es wurde Zeit zum Aufbruch.
»Ich habe klar gesagt: Keine Bilder von meinen Jungs, keine Interviews. Sie haben kein Interesse daran, in den Medien zu erscheinen«, sagte der Gangsterboss in einem Tonfall, der jede Lust der Journalisten im Keim erstickte, sich der Anordnung zu widersetzen.
Ob das stimmte?, dachte Axel. Im Banden-Milieu verschaffte es einem Respekt und Anerkennung, jeden Kontakt zur Presse zu vermeiden, seinen Hass auf Journalisten zur Schau zu tragen und sie bei jeder Gelegenheit aufs Übelste zu beschimpfen, aber träumte nicht doch jeder kleine Handlanger und Pusher von einer Berühmtheit, die er nie erreichen würde? Davon, mehr wert zu sein als eine einspaltige Notiz auf Seite sieben, in der über die eigene Gerichtsverhandlung wegen Körperverletzung, Nötigung oder Haschischhandels berichtet wurde?
Moussa verließ mit seinen Kameraden den Außenbereich des Cafés. Axel erkannte zwei von ihnen wieder, sie hatten beim Treffen am Montagabend zu Moussas Leibwache gehört. Jakob Sonne gab seinem Fotografen ein Zeichen, im Café zu warten, und folgte den Männern. Offenbar wollte er einen letzten Versuch unternehmen. Heraus kam eine etwa einminütige Unterredung mit Moussa, der über irgendetwas, das der Journalist gesagt hatte, schallend lachte und ihm auf den Rücken schlug, als seien sie alte Freunde.
Im Treppenhaus hielt Henriette Nielsen ihn an. »Ich fürchte, wir bewegen uns inzwischen auf sehr dünnem Eis.«
»Was meinen Sie?«
»Ihr Gespräch mit Moussa, Enver Davidis Tod. Es gibt einige Dinge, die kein Tageslicht vertragen.«
Sie hatte ein Kreuz aus Falten über den Augenbrauen, das bis zur Nasenwurzel reichte.
»Sie machen sich zu viele Sorgen, Henriette. Das ist alles ganz egal, wenn wir den Mann erst mal haben.«
»Gilt das auch für unsere Undercover-Aktion mit Davidi?«
Axel konnte es sich nicht leisten, ihr Vertrauen zu verlieren, schon gar nicht jetzt, aber er wollte sie auch nicht anlügen.
»Das ist so ziemlich die planloseste Aktion, die ich seit Langem erlebt habe, aber Sie hatten keine Wahl, oder etwa doch?«
»Nein,
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