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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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gleichzeitig sprangen sie vom Sofa hoch und rannten hinaus auf die Veranda.
    Das Licht entzündete sich.
    Die Veranda war leer.
    Von Emma keine Spur. Bis auf ein gelbliches Papier. Es lag dort auf dem Bretterboden, wo Emma zuvor gestanden hatte.
    Alice ging darauf zu und hob es sorgfältig auf.
    Ben spähte angestrengt in die Nacht hinein.
    Irgendetwas stimmte nicht.
    Nach allem, was war, würde sie da noch alleine in dunkler Nacht spazieren gehen?
    Kaum.
    Schon gar nicht ohne Schuhe.
    Da entdeckte er die Fussabdrücke in der feuchten Erde unterhalb der Veranda.
    Diese Abdrücke gehörten zu keiner barfüssigen Frau.
    Alarmiert rannte Ben zurück ins Haus. Als er wieder hinaus kam, trug er bereits seine Jacke. Den Helm zog er im Gehen auf.
    „Ruf Kevin an. Dann hol dir die Lampe und such die Umgebung zu Fuss ab.“
    Alice erstarrte. „Du glaubst doch nicht etwa…“
    „Und ob ich das glaube. Sie ist es. Um sie geht es. Es ging schon immer um sie. Und er wusste es. Er muss es irgendwie erfahren haben und jetzt hat er sie. Antonius hat sie sich geholt. Und jetzt wird er beenden, was er vor so langer Zeit begonnen hat.“
    Alice fühlte das Papier zwischen ihren Fingern. Die Antwort stand darin.
    Martins Worte. Sie hielt sie in Händen.
    Dessen war sie sich sicher.
    Alices Beine drohten nachzugeben.
    Ben war bereits um das Haus herum gerannt und beim Motorrad angekommen, als Alice ihn rief. Sie erschien auf der dem Hof zugewandten Seite der Veranda.
    „Was soll ich Kevin sagen? Wo will er mit ihr hin?“
    Ben stieg auf und startete den Motor. Er sah seine Mutter an. In seinen blauen Augen schien eine Entschuldigung zu stehen, die er ihr wortlos übermittelte, bevor er ihr antwortete.
    „Miriams Balken.“
    Alice öffnete den Mund. Und schloss ihn wieder.
    Miriams Balken. Natürlich. Miriam, die Erhängte.
    Die einzige Geschichte, die sich noch nicht wiederholt hatte.
    „Aber Ben, die Strasse! Sie ist doch verschüttet!“
    Daran hatte Ben nicht mehr gedacht. Er überlegte kurz. „Ich nehme den Forstweg und weiche auf den Wanderweg aus. So wird er es auch tun.“
    „Mit dem Motorrad?“, rief Alice entsetzt aus. „Nein, Ben, nimm mein Auto, bitte!“ Sie griff in ihre Hosentasche, zog den Schlüssel heraus und warf ihn Ben zu. Er fing ihn auf und ohne den Motor des Motorrades abzustellen eilte er zum Wagen. Er setzte sich hinein, steckte den Schlüssel in die Zündung und drehte.
    Nichts geschah.
    Er versuchte es noch einmal und noch einmal. Nichts.
    Dieser verdammte Mistkerl.
    Warum nur das Auto und nicht auch das Motorrad? Dachte er wirklich, Ben würde sich auf zwei Rädern nicht auf den Forstweg wagen?
    Da kam Ben ein anderer Gedanke. Was machte ihn so sicher, dass das Motorrad nicht auch manipuliert war?
    Egal. Dieses Risiko musste er eingehen.
    Er sprang aus dem Wagen. Den Schlüssel liess er stecken.
    Ratlos stand Alice auf der Veranda. „Was ist los?“
    „Der Wagen springt nicht an und ich schwöre dir, das ist kein Zufall.“
    „Mist.“ Alice beobachtete, wie Ben erneut auf ihr Motorrad stieg, es aufrichtet und den Ständer mit der Ferse wegdrückte. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu.
    „Ben, das ist Wahnsinn!“
    „Mama, was habe ich für eine Wahl?“
    „Warte, bis Kevin kommt.“
    „Dann könnte es zu spät sein.“ Und mit seinem verschmitzten Leuchten fügt er an: „Ausserdem ist es nicht das erste Mal, dass ich diesen Weg mit dem Motorrad abfahre. Es ist zwar schon eine Weile her, aber ich krieg‘s nochmal hin. Mach dir keine Sorgen.“
    Leichter gesagt, als getan. Alice gab ihren Widerstand auf. „Hol sie zurück. Unversehrt. Verstanden?“
    Ben salutierte, klappte das Visier zu und brauste stäubend davon.
     
     

Strang 1 / Kapitel 38
     
    Er raste wie der Teufel. Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf.
    Wo war sie? Ging es ihr gut? Was hatte er mit ihr gemacht? War er wirklich auf dem Weg zu Miriams Balken? Wie kam er dorthin? Mit einem Auto?
    Ben hetzte die Maschine über den Asphalt. Er legte sich soweit in die Kurven, dass seine Knie beinahe die Strasse berührten.
    Die Landschaft rauschte an ihm vorüber.
    Als dunkle Schatten ragten die Bäume dem nachtblauen Himmel entgegen. Gespenstisch hoben sich die weissgrauen Berggipfel vom dunklen Firmament ab. Je mehr Höhenmeter Ben hinter sich liess, desto dichter wurde der Wald, der den Strassenrand säumte. Erst viel weiter oben würde sich der Wald wieder lichten.
    Wo waren sie? Sie konnten doch nicht so weit gekommen

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