Unscheinbar
und Martin ein. Während die Männer darum wetteiferten, wer zuerst an der Tür war, wurde jene bereits von innen geöffnet und eine milde lächelnde Sandrine stand im Rahmen.
„Dacht‘ ich mir‘s doch, dass ihr keine Sekunde zu spät kommen würdet! Wo habt ihr Erwin?“
Wie auf Kommando tauchte auch der Hausherr aus dem Schuppen auf und trat zu der restlichen hungrigen Meute.
Nein, dachte Bernard, während er das Treiben beobachtete, kein Schmerz dieser Welt könnte diese Familie unterkriegen.
Wie sehr er sich doch in dieser Annahme irrte...
Obwohl der Alltag in wenigen Stunden wieder sein Recht fordern würde, stand die letzte Flasche von Antonius‘ Selbstgebranntem vor glühenden Gesichtern offen auf dem Tisch. Schüsseln und Pfannen waren allesamt leergegessen und die Herde entsprechend gesättigt.
Eine Hand betont auf den vollen Bauch klatschend, erhob sich Bernard nach einer Weile schwerfällig. Ein letztes Mal griff er nach dem kleinen Schnapsglas, das auf wundersame Weise schon wieder voll war, baute sich mit ausgestrecktem Arm vor seiner Familie auf und brachte einen Tost aus. „Auf unsere verstorbenen Familienmitglieder. Sie werden ewig in unseren Herzen weiterleben. Mögen sie in Frieden ruhen.“
Diese Worte fanden Anklang. Alle Anwesenden hoben ihre Gläser, prosteten sich gegenseitig zu und leerten den Inhalt in einem Zug.
Bernard setzte das Glas schwungvoll auf dem Tisch ab und machte Anstalten aufzubrechen. „Jungs, Mädels, ich danke für das Essen und die immer wieder gute Unterhaltung in diesem amüsanten Kreis der Familie, aber meine Stunde hat geschlagen.“
Wie Recht er damit hatte, sollte er bald erfahren.
Bernard und seine Frau Käthe verabschiedeten sich von allen Anwesenden. Sie gingen zu ihrem Wagen und stiegen ein. Bernard steckte den Schlüssel ins Zündschloss und drehte ihn. Nichts. Er versuchte es erneut. Ein knappes Stottern, dann nichts mehr.
Die Panne blieb im Haus nicht unbemerkt. Die Haustür öffnete sich erneut und Antonius wackelte lächelnd auf das Auto zu.
„Wweisst du nicht mehr, wie wie man ein Auto startet?“
„Scheint, als hätte mir dein Kirsch die letzten Hirnzellen weggeschwemmt! Offenbar sollen wir noch nicht gehen!“ Bernard lachte sein tiefes, grollendes Lachen.
„Bbblödsinn. Das bekommen wir schon hin.“ Sofort holte Antonius das Auto seines Vaters, zog das Überbrückungskabel aus dem Kofferraum und öffnete die Motorhaube beider Fahrzeuge. Dann schloss er die Kabel an den Batterien an, hiess Bernard Gas zu geben und den Zündschlüssel zu betätigen.
Es dauerte kaum zwei Minuten, da schnurrte der Wagen wieder wie neu. Zufrieden schlug Antonius die Motorhaube von Bernards Auto zu.
„Solltest deinem Mann mal eine neue Batterie schenken, was, Käthe?“ Gregor hatte sich unbemerkt an die beiden Autos herangeschlichen. Jetzt beugte er sich durch das heruntergelassene Fahrerfenster und lächelte Käthe, die entnervt in ihrem Sitz zusammengesunken war, über Bernard hinweg aufmunternd zu. Sofort erhellte sich ihre düstere Miene.
„Nana, pack dein Grinsen hübsch wieder ein, mein Lieber!“ Bernard schob Gregors Kopf freundschaftlich wieder aus dem Seitenfenster hinaus. Fröhlich winkend drückte er das Gaspedal durch.
Dann war er weg, eine wild durch die Luft wirbelnde Staubwolke und zwei Brüder zurücklassend.
Einer der beiden schlenderte mit den Händen in den Hosentaschen davon, der andere stand noch immer neben dem Auto seines Vaters. Die Umrisse schwach vom Scheinwerferlicht beleuchtet. Gedankt hatte ihm niemand.
Strang 2 / Kapitel 13
Mit weit überhöhter Geschwindigkeit fuhr Bernard die Serpentinen entlang. Gespenstisch huschten die Scheinwerfer über den Asphalt. Er kannte die Strecke wie seine Westentasche, dennoch war seiner Frau das Tempo nicht geheuer. Sagen wollte sie aber nichts. Das gäbe nur Streit. Und auf sie hören würde er sowieso nicht. Also betete sie. Still und heimlich. Mit geschlossenen Augen. Als sie die Augen das nächste Mal öffnete, fand sie das Fahrzeug eingehüllt in weissgraue Schwaden. Unheimlich waberte der Nebel über der Erde. Und er wurde immer dichter. Er schien richtiggehend nach dem Wagen zu greifen. Als wollte er das Metall mit seinen feuchtkalten Klauen zerdrücken, bis es sich in Luft auflöste. Das Licht der Scheinwerfer prallte an der Wand aus Wasserperlen einfach ab. Man sah nur noch wenige Meter weit. Für dieses Phänomen war diese Gegend bekannt. Aber
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