Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
Vom Netzwerk:
war er überzeugt.
    Alles hatte sich nur innert Sekunden abgespielt. Doch diese Sekunden gehörten zu den berauschendsten seines Lebens.
    Das war besser als Sex. Bestimmt.
    Und es schrie nach mehr.
    Aber zuerst musste er aufräumen. Spuren beseitigen. Zeichen hinterlassen.
     
     

Strang 1 / Kapitel 12
     
    „…Emma! Emma! Jetzt mach verdammt nochmal die Augen auf! Du hättest mir sagen können, dass du so ein bisschen spontane Leidenschaft schlecht verträgst!“
    Und wann genau hätte sie es sagen sollen? Bevor oder nachdem er sie auf die Motorhaube gehoben hatte? Die Schuldgefühle hatten Ben fest im Griff. Seine Gelassenheit, die ihm normalerweise immer zu Hilfe kam, drohte in der aufkochenden Panik einfach zu verdampfen. Ein ganz neues Gefühl.
    „Oh Scheisse!“
    Ben hatte nichts gehört. Weder, dass ein Auto herangefahren, noch dass jemand hinter ihn getreten war. Aber diese Stimme holte einen aus jeder Umneblung. Sie war so nervtötend, dass sie sogar Tote aufwecken konnte. So sagte man zumindest damals in der Schule.
    Ben ignorierte den unpassenden Ausruf. Er blieb, wo er war. Mit einer Hand gestützt auf die zerbeulte, mit Mühe geöffnete Tür und mit der anderen an der Seite des Fahrersitzes. So stand er schützend vor der Insassin, die aussah, als schliefe sie auf ein riesiges, weisses Kissen gebettet.
    Erst, als die Hand auf seiner Schulter ihn zum Weggehen zwang, reagierte er.
    „Lass uns das machen.“
    Die zweite Stimme war weit angenehmer als die erste. Kein Wunder. Die zweite kam auch nicht von einem ehemaligen Schulkollegen, sondern von dessen Vater, der schon immer für seine einfühlsame Besonnenheit bekannt gewesen war. Das war wohl auch der Grund, weshalb er, seit Ben denken konnte, bei der Ambulanz arbeitete. Dass sein Sohn in seine Fussstapfen getreten war, irritierte Ben. Der dünne, spitznasige Phil war ein rücksichtsloser Trampel. Er kam ganz nach der Mutter. Jedes Gefühl, das Empathie auch nur ähnelte, liess er vermissen. Damals wie heute. Und das bekam Ben auch gleich zu spüren.
    „Alter, was hast du mit der Schnalle gemacht, dass die so gegen den Felsen gerumst ist? Hast sie mit deinem Prinzessinenfahrrad wohl beeindrucken wollen, was? Das ging nach hinten los, würd‘ ich sagen!“
    Ben hätte sich beherrscht. Er hätte die Sprüche an sich abprallen lassen. Er hätte sie ignoriert. Sie hätten ihn so sehr gekratzt wie das Regenwasser einen Felsen. Doch so, wie das Regenwasser den Felsen zermürbt, wenn es nur lange genug darauf prasselt, so schaffte es auch Phil Ben letztlich aus der Ruhe zu bringen.
    Denn Phil beliess es nicht beim Reden. Er begann zu lachen. Ein hämisches, schadenfrohes Grinsen formte seine Augen zu schmalen Schlitzen.
    Ben fuhr herum und platzierte seine Faust mit voller Wucht direkt auf Phils Unterkiefer. Es knackte. Ein Schwall Blut ergoss sich aus Phils Nase.
    Hatte er die auch getroffen?
    Ben konnte es nicht mit Sicherheit sagen. Es war ihm auch egal.
    Mit blutverschmiertem Gesicht hielt sich Phil sein Kinn und winselte vor Schmerz. Seine Augen sprachen aber eine andere Sprache. Wütend funkelte er Ben an. Dann holte er mit der freien Hand zum Schlag aus.
    „Phil, es reicht!“
    Phil hielt tatsächlich inne. Mit einer Mischung aus Demütigung und Verständnislosigkeit sah er zu seinem Vater. Der schien auf einmal müde.
    Ein Arschloch zum Sohn zu haben, war offensichtlich sehr anstrengend.
    „Phil, komm auf der Stelle hierher und mach deinen Job!“
    Ein leises Stöhnen aus dem Fahrzeuginnern liess Ben vergessen, was er soeben getan hatte. Er trat an das heran, was einmal ein roter Mini gewesen war.
    Weit kam er nicht, da schob ihn Phils Vater resolut beiseite. „Geh aus dem weg, Junge. Sie muss aus dem Auto raus. Also los.“
    Ben erkannte, dass Phils Vater während dem kleinen Intermezzo offenbar bereits alle notwendigen Vorkehrungen getroffen hatte.
    Gehorsam hielt er sich zurück, als die Männer Emma vorsichtig aus dem Auto schälten.
    Trotz seiner laienhaften medizinischen Kenntnisse begriff Ben, dass Emma grosses Glück gehabt hatte. Denn obwohl das Fahrzeug von aussen einen anderen Eindruck hinterliess, war sie nicht eingeklemmt.
    Sie wurde auf eine Trage gelegt.
    Da öffnete sie die Augen. Endlich.
    Ben überkam eine Welle der Erleichterung. Er wagte es aber nicht noch einmal in ihre Nähe zu kommen. So sah er einfach still zu, wie Phils Vater Emma in den Krankenwagen beförderte.
    Bevor er die Tür zuschlug, wandte sich Phils Vater

Weitere Kostenlose Bücher