Unscheinbar
noch einmal an Ben. „Ein mordsmässiger Muskelkater wird ihr nicht erspart bleiben, aber ansonsten hat sie wahrscheinlich nur einige Prellungen und Kratzer. Genau sagen kann ich das aber erst nach der Untersuchung im Krankenhaus. Aber eines ist sicher: Ihr Schutzengel braucht jetzt wohl ein wenig Ferien.“ Er räusperte sich. „Walter ist mit dem Abschlepper bereits unterwegs. Er nimmt Jens mit. Der wird dann sicher noch einige Fragen an dich haben.“
Ben nickte nur. Der Abschleppwagen nahm die Polizei zum Unfallort mit. Welch eigenwillige Vorgehensweise. Manche Dinge änderten sich hier wohl nie.
Während Phil sich schmollend in den Einsatzwagen verzog, zögerte sein Vater noch. Mit einem vorsichtigen Blick auf das Motorrad sprach er Ben noch einmal an. „Willst du mitfahren?“
Natürlich. Sie glaubten tatsächlich, er wäre schuld. Nun, das war er ja auch. Auf gewisse Weise. „Nein. Schon gut. Ich warte auf die beiden.“
Phils Vater zögerte. Er dachte kurz nach und schien einen Entschluss zu fassen. Dann ein letzter, mahnender Blick zu Ben, und der Krankenwagen war weg.
Ben erahnte die Gedanken des Sanitäters. Er fürchtete, Ben würde etwas an der Unfallstelle verändern. Um sich zu retten. Sich zu entlasten. Und dennoch hatte Phils Vater Ben alleine am Unfallort zurückgelassen. So gross konnte das Misstrauen also doch nicht sein, sonst hätte er wohl darauf bestanden, dass Ben mit dem Krankenwagen mitfuhr.
Verfluchtes Dorf.
Aber eigentlich verfluchte Ben sich selbst. Seinem Unmut Luft machend rammte er die angeschlagene Hand gegen einen glatten Felsen.
Woraufhin kleineres Gestein und ein wenig Dreck von oben herab rieselte.
Warum hatte er unbedingt zurückkommen müssen?
Warum hatte dieser Mistkerl ihr unbedingt folgen müssen? Hoch über der Strasse auf seinem angestammten Platz auf dem Fels stand er. Das Gesicht versteinert, die Kiefermuskeln angespannt. Die Hände fest zu Fäusten geballt, dass die Knöchel sich weiss unter der Haut abzeichneten. Die Adern unter der Haut an den Schläfen pulsierten. Er kochte vor Wut.
Und er stand zu nahe am Abgrund. Vorsichtig trat er einen Schritt zurück.
Unter seinen Füssen löste sich die Erde und rieselte in kleinen Bröckchen den Fels hinunter, bis auf die Strasse.
Ja, er hatte mit ihr spielen wollen. Ja, sie sollte überleben. Aber nicht nach den Regeln anderer, sondern nach seinen eigenen!
In blinder Wut griff er nach dem nächstgelegenen Stein. Gross wie eine Ananas lag er schwer in seiner linken Hand.
Er hatte seinen Plan durchkreuzt. Wie ein Joker im Kartenspiel tauchte er auf und veränderte alles. Doch eine Freikarte gab es in diesem Spiel nicht. Also gab es nur eines. Die Karte musste aus dem Stapel entfernt werden.
Mit gerötetem Gesicht trat er erneut an den Abgrund. Die Zähne knirschten, der Kiefer schmerzte.
Er starrte nach Unten. Sein Ziel tauchte unter dem kleinen Felsvorsprung auf. Die Augen fest darauf gerichtet hob er den Arm und schleuderte den Stein mit aller Kraft in die Tiefe.
Das war schmerzhaft.
Ben umfasste seine Hand und biss die Zähne zusammen. Er ging zum Mini. Er beugte sich gerade zu dem kleinen Erste-Hilfe-Set hinunter, als etwas an ihm vorbeizischte.
Es verfehlte Ben nur knapp. Hart kam es auf dem Boden auf.
Entsetzt starrte Ben auf den grauen Stein, der nur eine Handbreit neben ihm gelandet war. Wenige Zentimeter weiter links und… Ben wollte nicht daran denken. Stattdessen wollte er wissen, woher dieser Brocken auf einmal gekommen war. Er machte einen Schritt zurück und sah nach oben. Für einen kurzen Augenblick glaubte er eine Bewegung zu sehen.
Etwas Braunes? Ein Tier? Möglich wär‘s.
Bevor er aber weiter darüber nachdenken konnte, hörte er ein Rattern. Einen kurzen Moment später sah er Walters alten Abschleppwagen die Strasse hinaufkeuchen.
Das Erste-Hilfe-Set war vergessen. Ben drehte sich nicht mehr zu dem Mini um, weshalb er auch nicht entdeckte, was der Aufprall zu Tage geführt hatte.
Im Fussraum der Beifahrerseite lag ein massives Stück Holz, aus dem ein korkengrosses Loch ausgefräst worden war.
Strang 1 / Kapitel 13
Emma dachte, die Nacht würde niemals enden. Sie litt unter leichten Kopfschmerzen, und immer, wenn sie sich im Bett drehen wollte, schmerzten abwechslungsweise Hüfte und Rücken. Abgesehen davon, dass sie sich sowieso kaum bewegen konnte, da immer diese verfluchten Schläuche im Weg waren. Das Schlimmste aber war das Kopfkino. Jedes Mal, wenn
Weitere Kostenlose Bücher