Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
muss mir wohl der Gedanke gekommen sein, mir morgens ein Brot mehr zu schmieren, als ich gewöhnlich zum Frühstück esse, und es einzupacken. Da das alle so machen, war mir nichts Besonderes aufgefallen. Und erst lange Zeit nachdem ich mein Verhalten diesbezüglich geändert hatte, wurde mir auch bewusst warum. Es hatte offensichtlich ein unbewusster Integrationserfolg stattgefunden. Das, was ich zunächst als Unsitte wahrgenommen hatte, muss nach einiger Zeit nicht mehr ganz so fremd auf mich gewirkt haben und kurzerhand auch bei mir zu einer festen Gewohnheit geworden sein. Heute sind Pergamentpapier und saure Gurken nicht länger ungeliebte Erinnerungshülsen meiner Kindheit. Das Beispiel zeigt jedoch auch, dass die Persönlichkeit eines Menschen nichts vollkommen Stabiles ist. Selbst eingefleischte Stullenhasser können konvertieren. Insofern lautet die einfache Antwort auf die Frage: Wer bin ich? Ich bin Veränderung! So wie wir alle.
Alles Bio oder was?
Viele Menschen vermuten, dass unsere Motivation, bestimmte Dinge zu tun, allein in unserer Persönlichkeit angelegt ist. Motive, Ziele und Interessen, so denken sie, entwickeln sich allein aus unseren stabilen Vorlieben und Talenten. Wenn man beispielsweise etwas gut kann, dann tut man es eben auch gerne. So erklärte sich den Nachbarn meiner Eltern in den Sechzigern auch in ganz einfacher Weise, warum ich der Musiker in der Familie war und jahrelang meine Geige (und damit meine Brüder) traktierte, während meine Brüder Uli und Henk lieber Fußball spielten und einen Ball nach dem anderen zerschossen: Die einen waren als »richtige Jungs« auf die Welt gekommen mit allem, was dazugehört, und ich war eben ein »bisschen anders«. Man war also für das Eine geboren und hatte für das Andere kein Talent, so die Schlussfolgerung.
Vermutlich hat mein Bruder Uli tatsächlich einen anderen Gencocktail mitgekriegt als ich. Und wahrscheinlich produzierte der Körper meines Bruders Henk wirklich mehr von dem männlichen Hormon Testosteron als meiner und allgemein üblich. Oder unsere Gehirne waren ganz einfach sehr anders. Es gibt viele unterschiedliche biologische Erklärungsmöglichkeiten dafür, warum sich eine Persönlichkeit eher in die eine Richtung entwickelt und eine zweite in eine andere. Aber ich gehe hier ein wenig darüber hinweg, weil ich Sie ja mit der sozialpsychologischen Forschung vertraut machen will, die neben der Anerkennung von biologischen Faktoren für die Persönlichkeitsentwicklung insbesondere die Rolle von sozialen Faktoren betont. Sozialpsychologen vertreten die Auffassung, dass Menschen überaus offen für momentane Veränderungen innerhalb einer Situation sind und dass die Persönlichkeit eines Menschen veränderbar und somit auch sozialisierbar ist. So kommt es in den besten Familien vor, dass manche Kinder Mutter- und andere Vatersöhnchen (oder -töchterchen) sind. Als Folge von solchen meist recht willkürlichen Zuweisungen richten sich Kinder an den unterschiedlichen Interessen des jeweiligen Elternteils aus. Während mein Vater bei Uli und Henk deren sportliche Aktivitäten förderte, unterstützte meine Mutter, an deren Rockzipfel ich gerne hing, meine musische Begabung. 4
Selbst Genforscher haben es aufgegeben, Gene als alleinige Quellen der Persönlichkeit zu sehen. Vielmehr besagen ihre Theorien inzwischen, dass sich die Veranlagungen, die man hat, im Laufe der Erziehung entwickeln und verändern. 5
Allerdings sind bestimmte Eigenschaften, Verhaltensweisen und Einstellungen stabiler als andere. So glaube ich zum Beispiel nicht, dass ich meine negative Einstellung gegenüber Faschisten, Kampfhunden oder Möhrensuppe je ablegen werde. Bestimmte Aspekte unserer Persönlichkeit sind sozusagen der feste Kern, der unveränderbar scheint und uns unterscheidbar von anderen macht: So hegen wir unterschiedliche Vorlieben und Abneigungen, so bewegen uns unterschiedliche Dinge, so verfolgen wir unterschiedliche Ziele und setzen unterschiedliche Schwerpunkte im Leben und passen uns nicht gleich einem Chamäleon der Umwelt an. Die Sozialpsychologie lehrt uns jedoch, dass der Anteil stabiler Persönlichkeitsaspekte gerne überschätzt wird. Mit anderen Worten: Der unveränderbare Kern unserer Persönlichkeit ist relativ klein. Was veränderbar und was stabil ist, ist individuell verschieden. Jemand, der aus Überzeugung Schwarz trägt und dem dies extrem wichtig ist, mag sich weniger von Modefarben beeinflussen lassen als jemand, der
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