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Unsichtbare Blicke

Unsichtbare Blicke

Titel: Unsichtbare Blicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Maria Reifenberg
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habe ihn ein Maskenbildner seit Stunden zu einer asiatischen Ausgabe von Mister Bond gemacht.
    Plötzlich drehte Saito sich um.
    «Oh Gott», seufzte er.
    «Der hilft jetzt auch nicht.»
    Sie lehnte sich an den Türrahmen. Mit einer Hand beschattete sie die verquollenen Augen. Morten drängelte sich an seiner Mutter vorbei.
    «Ich zieh mir dann mal was an.»
    «Ja, das wäre vielleicht nicht schlecht. Herr Saito muss sich noch an die Sitten hier gewöhnen.»
    «Herr Saito hat schon das ein oder andere erlebt», erwiderte ihr Kollege. «Ach ja, es heißt außerdem
moshi moshi,
und falls du weiteren Sprachunterricht brauchst, deine Mutter weiß, wo ich zu finden bin.»
    Stella entging nicht der Hauch von Anzüglichkeit, der in diesen Worten lag. «Ich vermute, dass du mich um diese Zeit nicht zum Frühstück abholen willst?»
    Er nickte. «Ein Mädchen.»
    «Und warum werden wir eingeschaltet?»
    «Eine Signatur. 013 .»
    Stella war mit einem Schlag hellwach. «Wo?»
    «Nicht weit. In einer stillgelegten Fabrikhalle bei Wuppertal.»
    Wuppertal. Neue Kollegen. Erklärungen, warum ihr Team den Fall übernahm. Beleidigte Leberwürste, Kompetenzgerangel, Landbullen, die sich die Butter nicht vom Brot nehmen ließen, die Stella und ihre Geschichte kannten.
    «Ich brauche ’ne Dusche.»
    «Stimmt», sagte Saito und rümpfte die Nase.

9
    Er war müde, aber er liebte jeden Morgen mit ihr, also hatte er sich den Wecker gestellt. Sie hatte den PC am Abend nicht heruntergefahren, das war gut. Die Webcam lief. Solange der Computer eingeschaltet war, lief sie immer, dafür hatte er gesorgt. Ein Typ irgendwo in Idaho auf einer verpissten Farm am Ende von nichts würde ihm bald den Rundum-Zugang verschaffen. Vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Man konnte es nicht einmal ein Programm nennen, irgendeine kleine Schweinerei, hatte der Typ versprochen, die dafür sorgte, dass sich das Gerät nicht wirklich runterfuhr, und es würde ihn nicht einmal Kohle kosten.
    Ihr Computer würde sich beim Ausschalten verabschieden, alles ganz normal. Aber die Cam lief weiter.
    Leider hatte sie nur ein billiges, lichtschwaches Gerät, und im Gegensatz zum menschlichen Auge gewöhnte sich eine solche Linse nicht an die Dunkelheit. Immerhin, ein bisschen überlegen sind wir diesem ganzen technischen Kram doch noch, dachte er, obwohl er jeden Tag von neuem froh darüber war, dass es all diese wunderbare und komplizierte Technologie gab und er sie beherrschte. Denn darauf kam es am Ende immer an: Wer hat die Kontrolle?
    Er würde ihr bald ein besseres Modell schenken, vielleicht als Erstes. Oder ein Handy, darauf war sie sicher noch mehr aus. Vor ein paar Tagen hatte sie sich mit dem Kerl, der sich ihr Vater schimpfte, darüber gestritten. Es war so hoch hergegangen. Vater, das nannte sich Vater! Dem Mädchen nicht einmal das Minimum gewähren, was es brauchte, um bei den anderen mithalten zu können, ja, das musste es, das mussten alle. Mithalten. Er wusste, wie wichtig das für die Kinder war.
    Die meisten Idioten an ihren Heimcomputern hatten keinen blassen Schimmer, was möglich war, was er jetzt gleich, wenn er es nur wollte, anstellen konnte, in nicht einmal sechzig Minuten: bevor Josie ihr Klassenzimmer betreten hatte, bevor das Rollgitter der Drogerie an der Ecke hochgefahren würde, bevor Leute der Nachtschicht von nicht weniger müden Kollegen abgelöst würden.
    Ein paar Klicks, ein paar Nachrichten an verpeilte Nerds, die, egal, in welcher Zeitzone sie vor dem Bildschirm hockten, niemals schliefen, und er würde morgen in der Zeitung davon lesen. Aber das interessierte ihn alles nicht, es waren nur Nebenprodukte seiner Streifzüge über die Server dieser Welt, im Gegenteil, er sorgte peinlich genau dafür, dass er nicht ins Schleppnetz der Fahnder geriet, Beifang wurde, wie die Haie, die zu Millionen starben, weil sie den Thunfischjägern in die Quere kamen. Er kicherte. Nein, ihn interessierte nicht der Cyberangriff auf das Pentagon, von dem sie in den Foren schwärmten.
    Er war mit Gänseblümchenbettwäsche zufrieden.
    Er verschaffte sich einen Überblick über ihre Chats und E-Mails in den letzten anderthalb Tagen; sie hatte nicht viel gesurft, Gott sei Dank. Diese Einsätze waren einfach Mist, gerade jetzt, wo er so viel über sie zu lernen hatte, war es absoluter Mist, wenn er über Nacht oder noch länger rausmusste. Und dann noch bei einer durchgedrehten Sängerin, die mit Fleischlappen behangen über den roten

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