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Unsichtbare Blicke

Unsichtbare Blicke

Titel: Unsichtbare Blicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Maria Reifenberg
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eigenen Äußeren vorzutäuschen.
    Heruntergekommen, das war die einzige Umschreibung, die Stella zu ihm einfiel. Bartstoppeln, sicher mehr als zwei Tage alt, spärliche, mehr gelbe als graue Haare, die nach hinten gekämmt eine weite Stirnglatze freilegten, Gesundheitsschuhe, eine beige Windjacke – irgendetwas zwischen Frührentner, Hartz  IV und Schimanski.
    «Lorenz Muthaus», stellte er sich vor. «Ich leite die Ermittlungen.»
    Er nannte weder seinen Dienstgrad, noch gab er irgendwelche andere Erklärungen. Muthaus ging davon aus, dass man ihn kannte, und zumindest im Umkreis von zweihundert Kilometern war das auch so. Stella hatte auch schon von ihm gehört und gelesen, als sie einen seiner Fälle gesichtet und in die neue Täterdatenbank eingegeben hatte, die sie mittelfristig mit ihrem Team aufbauen sollte.
    Muthaus war ein Eigenbrötler; seine Methoden hatte Miki Saito mit einem gewissen Unterton
eigenwillig
genannt, als er ihr auf der Fahrt die wenigen Details, die er bereits kannte, weitergegeben hatte. Allerdings hatte der alte Hase einen Instinkt, von dem sich sogar Fernsehkommissare einen abschneiden konnten.
    «Van Wahden.» Stella reichte ihm die Hand und stellte ihren Partner vor.
    «Dann muss ich wohl sagen: Ich
leitete
die Ermittlungen», sagte Muthaus.
    «Nein», wehrte Stella ab, «die Kompetenzen bleiben unberührt. Unsere Aufgabe ist es eher zu koordinieren, und wir steuern unser, nun ja, spezielles Know-how bei.» Das war eine glatte Lüge.
    Muthaus stieß einen Laut aus, ein leises Schnalzen, das nur heißen konnte: Lass mal stecken, ich weiß, wie die Sachen laufen.
    Es war besser, es erst einmal zu überhören. Diese
Sache
würde noch eine Menge Leute auf Trab halten. Sie würden auf Zusammenarbeit angewiesen sein.
    «Heilige?», fragte Stella mit einem Blick in die Runde.
    «Jepp, die Dinger an den Wänden», Muthaus’ linker Arm beschrieb einen weiten Bogen durch den Raum, «da drüben, Sankt Sebastian, mit den Pfeilen im Bauch, hat fast jeder Schützenverein im Wappen. Daneben Franz von Assisi, dann der heilige Christophorus, Autofahrer und so. Dort am hinteren Ausgang ist Rochus, wenn Sie näher rangehen, sehen Sie die Pestkranken, die unter seiner Kutte hervorkriechen. Ich hab so was noch nie gesehen, könnte man in jedes Museum stellen. Wusste gar nicht, was wir hier in dem Kaff für unentdeckte Talente haben.»
    Stella kramte ein paar Plastiküberzieher für ihre Schuhe heraus. «Ich glaube, die können wir uns fast sparen», sagte Saito, streifte aber ebenfalls zwei der blauen Schluffen über. Ringsum fanden sich Zeichen, dass die Halle auch in der letzten Zeit weniger verlassen war, als sie von außen wirkte.
    Überall lagen leere Bierdosen herum, Pizzaschachteln, alles, was man brauchte, wenn man im halbwegs Trockenen abhängen, was rauchen, wahrscheinlich ein bisschen Musik hören und eine Nummer schieben wollte, dafür sprach eine ziemlich stattliche Anzahl von benutzten Kondomen. Irgendwer hatte ein paar alte Sofas hergeschleppt, um die herum halb und ganz heruntergebrannte Kerzenstummel von lauschigen Stündchen zeugten.
    «Es ist ein Spureninferno», sagte Muthaus, «wir können sammeln und auswerten, bis wir in Rente gehen. Draußen hat der Regen alles weggespült.»
    «Kann ich den Rechtsmediziner sprechen?», fragte Stella.
    «Schröder ist schon weg, wir hatten eine bewegte Nacht, Leiche unter der Schwebebahntrasse und dies und das.»
    Stella wandte sich ab. Das fing ja gut an. Sie hasste es, wenn sie sich nicht vor Ort mit dem Arzt auseinandersetzen konnte.
    «Hier ist die Nummer von Schröder drauf. Sie können ihn jederzeit anrufen.»
    Stella nahm die Karte aus Muthaus’ Hand entgegen und gab sie Saito. «Todesursache?»
    «Wie bei der anderen, meint Schröder, aber das ist noch eine Mutmaßung, natürlich legt er sich nicht fest, bis er sie aufgemacht hat. Die Schnitte am Handgelenk haben zwar geblutet, aber daran ist sie nicht gestorben.»
    «Können die Kollegen eine Pause machen?»
    Muthaus schaute sie erstaunt an.
    «Na ja, eine kurze Pause, ich möchte mir das Mädchen ein paar Minuten in Ruhe anschauen.»
    «Klar, wenn wir Sie stören.» Seine Stimme nahm einen säuerlichen Unterton an.
    Herrgott noch mal, bei allen Heiligen, die uns hier auf die Finger gucken, ich will mir nur einen Eindruck verschaffen!, hätte Stella den Wuppertaler Kommissar am liebsten angeblafft, aber sie beherrschte sich.
    «Vielleicht können Sie Herrn Saito alles erzählen, was

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