Unsterblich 04 - Unsterblich wie der Morgen
wenigen Tagen, seit sie sich kannten, ans Herz gewachsen. Sie würde ihr fehlen.
Mit einem knappen Nicken, ganz wie ihr Bruder, verabschiedete sie sich.
Lea, die nun ganz allein am Rand der Tanzfläche stand, schaute sich nervös um. Was jetzt? Viele Augenpaare waren auf sie gerichtet. Das war so ungewohnt. Natürlich waren die Leute neugierig auf die mysteriöse Fotografin X, sie konnte es ihnen nicht verdenken. Aber die ganze Aufmerksamkeit war ihr einfach unheimlich.
Sie führte sich das Bild vor Augen, das sich einem Betrachter bieten musste: Einsame Frau in schwarzem Strasskleid steht nervös ein wenig abseits. Glückliche Paare drehen sich im Schein funkelnder Kronleuchter auf der Tanzfläche.
Jenseits dieser kleinen Welt aus Musik und Tanz die Menge.
Maskierte Augenpaare, die durchdringend auf die einsame Frau gerichtet sind.
Wenn sie das fotografiert hätte, dann hätte sie die Masken hervorgehoben, den Rest der Gestalten unfokussiert gelassen.
»Lea?«
Lea sträubten sich die Nackenhaare. Diese Stimme kannte sie. Bitte nicht. Nicht ausgerechnet hier. Langsam, mit einem Rauschen in den Ohren, wandte sie sich um.
»Dachte ich's mir doch, dass du es bist!«
David strahlte sie auf seine typische Weise an. Sie kannte diesen Ausdruck, er bedeutete, dass er seinen Charme spielen ließ, weil er etwas wollte. Ihr wurde ganz schlecht, als sie dieses Grinsen sah. Er nahm seine Maske ab, als fürchte er, sie habe ihn noch nicht erkannt.
»Wie geht's dir denn so?«
Leas Magen krampfte sich zusammen. Ihre Finger waren eiskalt geworden. Tauchte einfach so auf nach all den Jahren und tat, als ob nichts gewesen wäre!
»Du siehst großartig aus«, fuhr er fort, als von. ihr nichts kam. David hatte sich schon immer darauf verstanden, ein Gespräch für beide Seiten zu bestreiten. »Und du hast Karriere gemacht! Das Gespenst, eine Frau? Wahnsinn. Na, ich hätte es wissen sollen. Du warst immer gut, sehr gut, in deinem Beruf. Hast echtes Talent. In vielerlei Hinsicht, wenn du mir die Bemerkung erlaubst...«
»Was willst du?«, unterbrach ihn Lea. Sie hasste es, wenn jemand um den heißen Brei herumredete. Und diese Süßholzraspelei von ihm war ihr zuwider. Ihre Hände zitterten vor Wut. Und wenn sie ihm jetzt eine runterhauen würde, mitten in sein widerliches Grinsen?
»Komm schon, Lea, du kannst mir doch unmöglich noch immer böse sein, oder? Das ist doch alles Schnee von gestern!« David strich mit einem Finger über ihre nackte Schulter. Lea würgte es beinahe vor Abscheu. »Und wenn ich sehe, was meine kleine Berührung auslöst, Lea-Schatz, würde ich behaupten, da ist noch was zwischen uns. Hättest du nicht Lust, unsere Bekanntschaft wieder aufzufrischen? Ich schon.«
Leas Hände ballten sich zu Fäusten. Sie wollte gerade ausholen und ihm eine reinhauen, als ihr Blick auf eine hübsche Blondine mit einem kleinen blonden Jungen auf dem Arm fiel. Die Frau schaute besorgt zu ihnen herüber.
Lea musterte den Jungen. Und wurde blass.
»Ist das deine Frau?«
David schaute sich um und zuckte mit den Schultern.
»Ja, das ist Diana und unser Sohn, Thomas. Ich habe ihr gesagt, sie soll ihn nicht mit hierher nehmen, aber sie hat es sich nicht ausreden lassen.«
»Thomas?«, flüsterte Lea fassungslos. Das war der Name, den sie ihrem Sohn hatte geben wollen - wenn sie und David einmal Kinder hätten. Sie hatten damals in Boston nächtelang darüber diskutiert, und er hatte den Namen immer abgelehnt. Und jetzt hatte er seinem Sohn ausgerechnet diesen Namen gegeben ...
»Ja, ein gesunder, kräftiger Junge. Aber mach dir keine Sorgen um meine Frau. Das hat doch nichts mit uns zu tun. Ich will dich, Lea.«
War so was möglich? Zwei arrogante Mistkerle an einem Abend? Einer davon hatte ihr vor sieben Jahren das Herz herausgerissen. Und der andere jetzt das, was davon noch übrig war. Und beide sagten sie genau dasselbe: Ich will dich, Lea.
Aber sie wollte sie nicht!
»Und was hält Diana davon?«
David lachte vergnügt, als habe sie einen köstlichen Witz gemacht. Seine Augen funkelten. »Ach, Diana braucht dir nicht leid zu tun. Ich habe schon was mit ihr gehabt, als wir noch verlobt waren. Du könntest es ihr also mit gleicher Münze heimzahlen. Na, wäre das nichts? Ein bisschen Rachesex?«
»David, komm näher, ich muss dir was sagen.«
Lea winkte ihn mit gekrümmtem Zeigefinger zu sich.
Wie oft hatte sie von diesem Moment geträumt. Wie oft hatte sie sich ausgemalt, was sie ihm alles an den Kopf
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