Unsterblich 04 - Unsterblich wie der Morgen
Bild: der geheime Gang unter der Royal Mile.
Dass Colin erwähnt hatte, Sam habe ihn dazu überredet, den Club renovieren zu lassen ...
»Ruf William an. Sie sind im Club V.«
29. Kapitel
Willkommen, willkommen! Ich freue mich, euch wieder einmal alle hier begrüßen zu können!«
Sam grinste breit und fletschte dabei seine Fangzähne.
Er freute sich über die müden, eingeschüchterten Blicke, die er von den Anwesenden erhielt.
Die Gesichter der dreißig Männer und Frauen, die an den Tischen verteilt saßen, lagen im Schatten, denn sie trugen - nicht ganz freiwillig - dunkle Kapuzenumhänge.
Immer wieder huschten ihre Blicke zu der festgeketteten Frau, die am Boden in ihrer Mitte saß.
Lea hatte die Arme um ihre Knie geschlungen. Die tiefen Kratzer auf ihrer Wange brannten höllisch. Sie versuchte, langsam und tief zu atmen und sich auf die Stimmen der anwesenden Geister zu konzentrieren, aber das war nicht leicht. Sie hatten Mitleid mit ihr, waren aber natürlich ebenso hilflos wie sie selbst.
»Ich möchte noch einmal erklären, wie der heutige Abend ablaufen wird.« Sam schritt mit weit ausholenden Gesten auf und ab, wie der Direktor in einem Zirkus. Jetzt deutete er auf Jaqueline, die soeben die letzte der Kerzen angezündet hatte, welche die einzige Lichtquelle im Raum bildeten. »Meine Assistentin wird Ihnen nun zunächst demonstrieren, dass unsere Freiwillige hier nur allzu menschlich ist. Jaqueline, wenn ich bitten darf?«
Sam zauberte schwungvoll einen langen Dolch aus seinem zeremoniellen Umhang. Die scharfe Klinge blitzte im Licht der zahlreichen Kerzen. Lea stieß ein erschrockenes Keuchen aus. Sie musste an eine andere Nacht denken, an ein anderes Messer, an einem anderen Ort. Auf ihrer Stirn standen Schweißtröpfchen, und sie wimmerte leise auf.
»Lauf, Mädchen!«
»Wehr dich!«
»Wehr dich gegen sie, das ist deine einzige Chance!«
Aber die Stimmen der Geister verldangen, während Jaquelines Gesicht immer näher kam. Lea war wie gelähmt vor Angst. Nur das rasche Blinzeln ihrer Augen verriet, dass sie keine Statue war. Mit einem grausamen Lächeln auf den makellos geschminkten Lippen kam Jaqueline immer näher.
Keine Panik, Lea, keine Panik. Nicht mehr so wie damals.
Bleib ruhig. Diesmal wirst du nicht klein beigeben. Diesmal nicht. O Gott, bitte hilf mir.
»Seid ihr da?«, flüsterte Lea den Geistern zu. Keine Reaktion. »Geister, ich rede mit euch!«
»Ich bin da.«
»Ich auch!«
»Redet sie mit uns?«
»Ja, wir sind da!«
»Pass auf!«
Jaqueline hob den Dolch ... Doch dann schoss ihre freie Hand vor, und sie riss Lea das Kleid vom Leib. Lea, die damit nicht gerechnet hatte, versuchte verzweifelt den Stoff ihres Kleids festzuhalten und fiel nach hinten.
»Warum so schamhaft?«, lachte Jaqueline, »glaub mir, Menschenpüppchen, du hast ganz andere Sorgen!«
Lea presste keuchend ihr Kleid an sich, ohne Jaquelines Dolchhand aus den Augen zu lassen. Sobald Jaqueline Anstalten machte zuzustechen, warf sie der Frau ihr Kleid ins Gesicht und stürzte sich auf sie. Die Vampirin war von diesem Angriff so überrascht, dass sie den Dolch fallen ließ.
Ein Aufkeuchen ging durch den Raum. Lea warf sich auf den Dolch, konnte ihn jedoch nur mit den Fingerspitzen zu fassen kriegen.
»Hinter dir!«, rief einer der Geister.
Zu spät. Sam, den Fehler seiner Partnerin erkennend, hatte Lea bereits bei den Fußgelenken gepackt und zog sie mit einem Ruck zurück. Lea schrie auf, ihr nackter Bauch und ihre nackten Brüste schrammten über den rauen Steinboden. Aus den Kratzern sickerte Blut.
»Na, na, du kleine Wildkatze!« Sam warf Lea lachend auf den Rücken. Lea krabbelte rückwärts, so weit es die Kette zuließ. Verzweifelt bemerkte sie, dass Jaqueline den Dolch bereits wieder an sich gerissen hatte und sie nun außer sich vor Wut anfunkelte.
»Das wollen wir jetzt noch mal versuchen, ja?«, sagte Sam höflich. Dann holte er aus und schlug Lea so brutal mit dem Handrücken ins Gesicht, dass sie zur Seite geschleudert wurde. Benommen rappelte sie sich wieder auf.
»So sollte es leichter für dich sein«, sagte er, als habe er ihr einen Gefallen getan. »Jaqueline, mach schon!«
»O nein!«
»Das arme Ding!«
»Nicht hinschauen, Mädchen!«
Der Dolch sauste auf Lea hernieder und durchbohrte ihre linke Schulter. Lea biss sich auf die Zunge, um nicht laut aufzuschreien. Blut strömte aus der Wunde und floss über Brust und Arm.
»Wie kann man nur so grausam sein!«
»Kann ihr
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