Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)
gesehen zu haben, als ich mit den Hunden unterwegs war«, sagte er dann (ein Hinweis, der früher mit Sicherheit dafür gesorgt hätte, dass Mum mit dem Fernglas in der Hand aufgesprungen wäre). Oder er brachte ihr aus dem italienischen Laden in Lusaka Piri-Piri-Krabben und richtigen Wein (in der Flasche, nicht im Tetrapack) mit, aber nach einer Krabbe und einem halben Glas Wein zog sie sich wieder in ihr Bett zurück. Und selbst als Dad ein neues Hündchen mit nach Hause brachte, eine lustige rauchfarbene Promenadenmischung aus Dänischer Dogge und Labrador (»von beiden die bessere Hälfte«, versprach Dad), brachte Mum kaum mehr als ein mattes Dankeslächeln zustande.
Und so saß Dad abends, wenn Mum schlief, am Lagerfeuer vor ihrem kleinen Cottage und grübelte – das Kinn auf den Daumen gestützt, zwei Finger an die Zigarette gelegt, die ihm an der Unterlippe klebte – sorgenvoll über eine Lösung nach. »Sie aufzugeben kam nicht in Frage«, sagt Dad. »Ich wusste ja, dass sie nur ein bisschen Ermutigung brauchte, um wieder auf die Beine zu kommen.« Dad schweigt einen Moment, reibt sich mit der Faust unter beiden Augen. Als er weiterredet, klingt seine Stimme belegt. »Mit mir ist sie schließlich auch durch dick und dünn gegangen«, sagt er. »Nein, für mich war sie immer die tollste Frau in ganz Afrika.«
Nachdem wir Robandi verlassen hatten, wollte mein Vater sich nie wieder um eine afrikanische Farm bemühen. »Man investiert Blut und Schweiß in ein Stück Land, und dann …« Dad schüttelte den Kopf. »Plötzlich ist da eine neue Regierung – es gibt einen Putsch, neue Leute tauchen auf und besetzen dein Land, oder der Wind dreht sich – und auf einen Schlag ist alles beim Teufel. Nein, das hat keinen Sinn, man kann in Afrika arbeiten, ohne mit aller Gewalt ein Stück davon zu besitzen.« Und dann zitierte Dad Marcus Garvey: »Afrika den Afrikanern.«
Und so nahm Dad zunächst einmal eine Stellung als Verwalter bei einer großen Tabakproduktion in Malawi an. Sein Chef war Malawis Präsident auf Lebenszeit, der alternde Diktator Hastings Kamuzu Banda alias His Excellency (Kurzform H. E.), wie er sich gerne nennen ließ. Nach der weißen Vorherrschaft in Rhodesien sei es eine nützliche und demütigende Erfahrung gewesen, einen sehr mächtigen schwarzen Boss zu haben, mit dem sich nicht spaßen ließ, sagt Mum. »Wir erhielten eine gründliche Lektion, wie wir in einem von Schwarzen regierten schwarzafrikanischen Land fortan behandelt würden«, sagt sie.
H. E.’s tatsächliches Geburtsdatum war ein Staatsgeheimnis, aber er war zweifellos alt und unbestreitbar altmodisch. Er trug gerne knapp geschnittene dreiteilige Anzüge mit farblich passenden Stecktüchern und war überallhin mit dem traditionellen Fliegenwedel unterwegs, als rechnete er jederzeit mit Belästigungen. »Vor dem haben sich alle in die Hosen geschissen«, sagt Mum. »Man musste den Kratzfuß vor ihm machen und nach seiner Pfeife tanzen. Und wenn man ihn verärgerte, dann gnade einem Gott.« Sie macht große Augen. »Gegen Ende unseres ersten Jahres auf dem Anwesen hatte der stellvertretende Geschäftsführer unseres Betriebs eine kleine Meinungsverschiedenheit mit H. E., und ehe man sich’s versah, war sein Mercedes in einen Abgrund gestürzt, rätselhafterweise von Gewehrkugeln durchsiebt.«
Einige Tage nach der Ankunft meiner Eltern in dem Land wurde ein offizieller Spion auf die Tabakfarm delegiert, der ein Auge auf ihre Arbeit haben und dafür sorgen sollte, dass sie sich jederzeit auf anständig malawische Art benahmen: keine langen Haare oder Bärte bei Männern, die Röcke der Frauen mussten über die Knie reichen (Hosen waren nicht gestattet), keine Küsse in der Öffentlichkeit, keine unzensierte Lektüre, aber vor allem anderen musste H. E. überall und zu jeder Zeit Ehre und Respekt erwiesen werden. »Man durfte keine Zeitung wegwerfen oder verbrennen, die ein Foto von ihm enthielt«, sagt Mum, »und das war gar nicht so einfach, weil in jeder Nummer der Malawian Times und allen anderen Blättern haufenweise Fotos von ihm waren – wie er sich über dieses Krankenhausbett beugte und jenes Schulkind begrüßte oder aus irgendeinem gepanzerten Hubschrauber kletterte. Am Ende war es besser, sich gar keine Zeitung mehr zu kaufen, denn wo hätte man die alle aufbewahren sollen?«
Mums und Dads Briefe wurden mit Dampf geöffnet, ein Spion in der zentralen Vermittlung hörte ihre Telefongespräche mit. »Man konnte den
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