Unter dem Safranmond
Wasser auf den Wurzelstrunk in seinem Herzen gewesen waren. Ohne dass er es bemerkt hatte, hatte dieser wieder ausgetrieben und Knospen gebildet. Und jetzt, da die Möglichkeit bestand, dass Richard Burton, Mayas Jugendliebe, von dem sie ihm einst in einer Sternennacht in der Wüste erzählt hatte, in der Tat in Damaskus weilte, schmerzte die alte Wunde plötzlich wieder. Er schrak auf, als Yusuf mit beiden Händen vor seinem Gesicht herumwedelte. Rashads Mund war staubtrocken, obwohl er eben erst an einem Brunnen getrunken hatte.
»Yusuf … ich glaube, ich hab hier was zu erledigen. Können wir so lange bleiben? Oder du reitest schon zurück und ich hole dich wieder ein.«
Yusufs struppige Augenbrauen rutschten nach oben, unter den Saum seines schmuddeligen Turbans. »Bei Allah, es geschehen noch Wunder! Deine Augen zeigen Leben! Natürlich bleiben wir!«
Abd ar-Ra’uf, der einmal Rashad, der Krieger, gewesen war, benötigte nur wenige Stunden, um den Wohnort des neuen britischen Konsuls in Damaskus ausfindig zu machen, und nicht viel mehr, um herauszufinden, wo er für gewöhnlich anzutreffen war. Doch Rashad, der so lange Jahre jegliches Gefühl, jede Erinnerung auszulöschen versucht hatte, sah sich diesen nun hilflos ausgeliefert, und benötigte zwei Tage, um seinen Mut zusammenzunehmen und aus den Schatten der Häuser herauszutreten. Er wusste, dass dies ein Weg ohne Wiederkehr sein würde.
» As-salamu aleikum. Seid Ihr Richard Burton, der neue Konsul zu Damaskus?«
Als sie sich in die Augen sahen, erschraken beide für einen flüchtigen Moment, glaubten, in einem magischen Spiegel jeweils sich selbst zu erblicken, der aus dem einen einen Engländer in hellem Anzug mit Panamahut machte, aus dem anderen einen Araber in langem, hellem Gewand mit rot-weiß gefärbtem Turban.
»Wa-aleikum as-salam« , kam die Antwort und zerriss die Vision des Spiegelbildes. »Der bin ich.«
»Derjenige, der als hajji verkleidet nach Mekka gewandert ist? Als Student in Oxford war?«
»Auch der.« Richard trat unwillkürlich einen Schritt zurück, als der Araber seine Rechte hinter dem Rücken hervorzog, die er bislang dort verborgen gehalten hatte, entspannte sich sogleich wieder, als er sah, dass er ihm ein Schmuckstück in der schwieligen Handfläche darbot, offensichtlich zum Verkauf bestimmt. »Kennt Ihr das hier, said ?«
Richard schluckte, als er das Medaillon wiedererkannte. Zu gut hatte er sich die Arbeit eingeprägt, zu oft hatte er es an ihrem Hals gesehen, und als der Daumen des Arabers den Verschluss des Ovals betätigte, gab es keinen Zweifel mehr.
»Woher habt Ihr das?« Eine deutliche Drohung schwang in seiner Stimme mit.
»Nicht gestohlen, said Burton. Sie hat es mir gegeben. Vor vielen Jahren.«
Richard musterte den Araber genauer. Er war nicht mehr ganz jung, ungefähr in seinem Alter, höchstens ein paar Jahre jünger. Sein Gewand war angeschmutzt, die keffiyeh verblichen und ausgefranst. Narben überzogen sein Gesicht, wenn auch nicht so tief wie seine eigenen, und eine davon spaltete eine Augenbraue. In seinem halblangen schwarzen Haar glänzten einige Silbersträhnen, ebenso wie in seinem Bart. »Ich trage es nicht mehr«, war Maya ihm ins Wort gefallen, bei seinem Besuch in Cairo, vor gut einem halben Jahr. Rückblickend fiel Richard der eigenartige Tonfall auf, in dem sie es gesagt hatte.
Er deutete mit einem Kopfnicken in Richtung der anderen Straßenseite. »Dort drüben ist ein gutes Kaffeehaus. Erzählt mir, wie die Kette in Euren Besitz gekommen ist.«
Der Kaffee war längst kalt, als Rashad seine Geschichte beendet hatte. Er hatte nicht alles erzählt, nur das Notwendigste, aber Richard Francis Burton konnte sich die fehlenden Details denken: Mayas Sohn, der in keinster Weise dem Lieutenant mit dem sandfarbenen Haar ähnelte, den er in Aden zu Gesicht bekommen hatte. Ein paar Worte, in denen etwas mitschwang, das früher nicht da gewesen war. Der Bruchteil eines Herzschlages, in dem ein Schatten auf ihre Züge gefallen war, ihre Augen Schmerz gezeigt hatten. Die Münze aus Himyar.
Eifersucht begann in Richard aufzusieden, und er wusste nicht, was ihn mehr peinigte: dass Maya ihm gleichgekommen war darin, ein abenteuerliches Leben zu führen, ihn vielleicht auf eine Art sogar darin geschlagen hatte, weil sie trotz allem glücklich geworden war und er nicht. Oder der Funken der Liebe, den er in ihren Augen gesehen hatte, aber nicht hatte zuordnen können, weil er nicht jenem ähnelte,
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