Unter Den Augen Tzulans
dritte Gestalt angehumpelt kam.
Zuerst dachte der Junge, es sei einer der Knechte, weil die Konturen deutlich größer und grobschlächtiger waren als bei den anderen Besuchern.
Doch schnell stellte er fest, dass es sich dabei um einen nicht minder hochrangigen Gast handeln musste, wenn er sich die Stoffe der Kleidung betrachtete. Aber selbst der beste Schneider konnte die Verunstaltungen nicht kaschieren.
Die rechte Schulter stand tiefer als die linke, der ganze Körper wirkte verkrüppelt, die Glieder waren unterschiedlich gerade gewachsen, die Beine sahen so gekrümmt aus, als seien sie über eine Tonne gespannt worden. Eine Gesichtshälfte war völlig intakt, die andere dagegen deformiert, der Schädel ohne echte Symmetrie. Was sich da gerade in einer Mischung aus Hüpfen und Laufen unter ihm entlangbewegte, erinnerte den Stalljungen an die Zerrbilder aus den Buden der Schausteller. Nur musste dieser bemitleidenswerte Knabe immer mit diesem Aussehen leben.
Das mussten die Thronfolger sein. Er staunte nicht schlecht auf seinem Aussichtsposten. Das nächste Pferd beschwerte sich lautstark über eine Misshandlung, ein Huf krachte wirkungslos gegen die Stallwand, und wieder lachte der Urheber über seinen heimtückischen Angriff.
»Schau, Schwesterherz, ich werde immer besser«, freute er sich. »Mortva ist ein sehr guter Lehrer. Und er hat gesagt, ich sei schon viel besser, als es Vater in diesem Alter war. Die Magie gehorcht mir.«
Der Stalljunge robbte an die breite Luke, um das Trio im Auge zu behalten.
»Ja, Govan«, lobte das Mädchen ihren Bruder. »Du bist auch besser als ich.«
»Und besser als Krutor, nicht wahr?«, sagte er in Richtung des Krüppels und ließ einen der blauen Blitze gegen ihn schnellen. »Ho, Krutor! Fang den Blitz!« Ein zweiter Strahl zuckte in Richtung des missgestalteten Jungen, der grummelte und sich trotz seiner deutlich sichtbaren körperlichen Überlegenheit nicht wehren wollte. »Und noch einer, Bruder.«
Dem Stallburschen platzte der Kragen.
Da der Angeber genau unter der Luke stand, beförderte er einen Stapel Stroh auf ihn herab. Als die Halme und der feine Staub auf den Tadc regneten, lachte Krutor glücklich und klatschte in die Hände.
Das Mädchen schaute nach oben und entdeckte den Übeltäter. Dem Jungen stockte der Atem, als er in das Antlitz des Mädchens schaute. In ein solch hübsches Gesicht hatte er noch nie in seinem Leben geblickt.
»Komm herunter, du Frechdachs«, verlangte sie amüsiert und deutete herrisch mit ihrem Zeigefinger auf den Boden. »Und wer bist du überhaupt?«
»Ich bin Tokaro Balasy«, rief er mutig hinab und sprang in den Strohhaufen. »Ich bin der Stallbursche des Gestüts.« Entschlossen sah er Govan an. »Ich werde es nicht zulassen, dass Ihr, hoheitlicher Tadc, den Tieren etwas zu Leide tut.«
Erbost befreite sich der Thronfolger von den Halmen, aber seine Uniform war von oben bis unten zugedreckt. Die Pupillen blitzten, wütend bohrte sich sein Blick in die dunkelblauen Augen des Widersachers mit den kurzen dunkelbraunen Haaren.
»Ach? Und du willst mich daran hindern?« Mit einem bösartigen Zug um den Mund legte er die Handflächen zusammen und wollte die Fingerspitzen auf Tokaro richten, als der einen Schritt nach vorne machte und Govan die Faust auf die Nase schlug.
Verdutzt setzte sich der Tadc auf den dreckigen Stallboden. Blut lief ihm aus der Nase, das er mit seinem Ärmel abwischte.
Der Stallbursche stand über ihm, den Finger ausgestreckt. »Versucht das nicht noch einmal, hoheitlicher Tadc.«
Zvatochna lächelte den mutigen Jungen an. »Du gefällst mir, Tokaro.« Krutor lachte fröhlich und klatschte seine Zustimmung. »Und zumindest einer meiner Brüder mag dich auch.«
Govan stemmte sich hoch, starrte den besudelten Stoff an und konnte es immer noch nicht fassen. »Das sollst du mir büßen!«, schrie er und wollte gerade die gleiche Geste wiederholen, um einen Blitz gegen den Stalljungen zu schicken, als die geballten Finger ein zweites Mal auf seiner Nase landeten.
»Ich habe Euch gewarnt, hoheitlicher Tadc«, meinte Tokaro entschuldigend.
»Ich lasse dich hinrichten!«, zeterte der Junge, hielt sich das geschundene Riechorgan und rannte hinaus. Krutor grölte, imitierte das Verhalten seines Bruders und schwankte mit dem Oberkörper vor und zurück. »Hinrichten«, wiederholte er immer wieder ausgelassen und rannte Govan nach. »Hinrichten«, tönte es vom Hof.
Tokaro bereute seinen Mut schon
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