Unter Den Augen Tzulans
jetzt.
Das Mädchen sah ihm seine Niedergeschlagenheit an. »Keine Angst, tapferer Tokaro. Ich werde es nicht zulassen, dass mein Bruder dich hinrichten lässt Ich sage einfach, er sei auf die Mistgabel getreten und habe sich den Stiel gegen seinen Kopf geknallt.« Sie lächelte ihn an.
»Und was ist mit Eurem anderen Bruder?«, warf der Stalljunge ein, der ein wenig Zuversicht fasste, den nächsten Tag trotz seiner unglaublichen, zweifachen Tat überleben zu dürfen.
»Krutor?« Zvatochna schüttelte lachend den Kopf, und Tokaro war bei diesem Anblick restlos verzaubert. »Man wird ihm nicht glauben. Er ist ziemlich einfältig.« Sie nahm seine Hand und lief den Mittelgang entlang. »Los, zeig mir das schönste Pferd im Stall.«
Das Herz des Stalljungen pochte bis zum Hals, und es kribbelte, als sich ihre Finger ineinander schlossen. Vor dem Abteil Treskors blieb er stehen. »Das ist der schönste, beste, prachtvollste Hengst, den ich …«, er stockte einen Moment, »den der hoheitliche Kabcar in seinem Gestüt hat.« Der Schimmel schnaubte und schaute nach hinten.
Die Augen der Tadca leuchteten. »Oh, würdest du ihn bitte herausholen und einmal im Kreis führen, damit ich sehe, wie er sich bewegt?«
»Ich weiß nicht, ob ich das darf, hoheitliche Tadca«, druckste Tokaro herum und kratzte sich am Kopf. »Das ist normalerweise nur den Knechten vorbehalten.« Doch als er in das überirdisch schöne Gesicht der kleinen Besucherin blickte, warf er alle Vorbehalte zur Seite.
Er nahm ein Halfter und zog es Treskor über. »Ist die Luft rein?« Zvatochna nickte eifrig, und der Stallbursche wagte sich zusammen mit dem Hengst heraus.
»Hier kann er sich nicht richtig bewegen«, beschwerte sich das Mädchen und deutete auf die Koppel am anderen Ende der Stallungen. »Komm, wir lassen ihn dort laufen.«
Ein kurzer Blick von ihr genügte, und Tokaro gab ihrem Bitten nach. Der prächtige Hengst freute sich sichtlich über die neuerliche Freiheit und trabte stolz im Kreis, dann äugte er nach den Brettern der Einzäunung. Der Stalljunge ahnte, was der Schimmel tun wollte.
Mit einem Satz stand Tokaro auf dem Pfosten und sprang auf den Rücken des Vierbeiners. »O nein, mein Lieber, du wirst schön hier bleiben«, befahl er dem Schimmel. Das Pferd senkte wie ertappt den Schädel und trabte wieder an.
»Du kannst reiten?«, wunderte sich die Tadca. Dann hellte sich ihr Antlitz auf. »Natürlich, du übst heimlich, Bursche. Mit den Pferden meines Vaters.« Sie schaute verschlagen unter einer Latte durch. »Kannst du Kunststücke?«
»Aber das ist doch das Einfachste von der Welt«, meinte der Junge großspurig.
Vorsichtig erhob er sich und stand mit durchgedrückten Beinen auf dem breiten Kreuz des Hengstes, die Arme rechts und links ausgestreckt. Ansatzlos hüpfte er in die Luft und absolvierte eine halbe Drehung, schaute nun nach hinten.
Tokaro ließ noch eine ganze Reihe von Darbietungen folgen, Treskor mimte das artige Pferd und trabte im gleichen Rhythmus in der Umzäunung im Kreis. Der Applaus und das begeisterte Rufen des Mädchens spornten ihn an, die waghalsigste Akrobatik zu zeigen.
Er musste sich jedoch so sehr konzentrieren, dass er dabei das Umfeld nicht mehr im Auge behalten konnte. Und dass er dabei vom obersten Fenster des Gutshauses aus von einer Gestalt in einer schimmernden Rüstung beobachtet worden war, bemerkte er schon gar nicht.
»Anscheinend haben wir hier einen sehr talentierten jungen Knaben vor uns«, sagte plötzlich die Stimme eines Mannes in seinem Rücken, und die Aufmerksamkeit Tokaros war dahin. Sein nächster Tritt ging fehl, hart schlug er im Staub des Platzes auf. Augenblicklich stand der Hengst still. Hustend stemmte sich der Junge auf die Beine und sah nach dem Mann.
Er trug eine tadellose graue Uniform mit aufwändigen Silberstickereien, ein sternförmiger Orden heftete an seiner Brust. Die blonden, schulterlangen Haare waren zu einem Pferdschwanz gebunden, die blauen Augen ruhten auf dem Stallburschen. Ein harter Zug lag um den Mund des Mannes. An seiner Seite baumelte ein schweres Schwert, die Hände steckten in weißen Handschuhen, die Füße in schwarzen Reitstiefeln. Auch ohne die Leibwache, die Position bezogen hatte, hätte Tokaro gewusst, um wen es sich bei dem Besucher handelte.
»Hoheitlicher Kabcar«, stotterte er und warf sich in den Dreck, aus dem er sich eben erhoben hatte.
»Das ist er«, sagte Govan hasserfüllt und streckte den Finger gegen den Jungen aus.
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