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Unter Den Augen Tzulans

Unter Den Augen Tzulans

Titel: Unter Den Augen Tzulans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Zuversicht. Und die Hoffnung, dass er seinen Schützling, der nun ein Mann sein musste, wieder zurück auf den rechten Pfad bringen konnte, auf dem er einst gewandelt war.
    »Fiorell«, sagte er leise, und der Spaßmacher hob ein Lid. »Wo ist Norina? Wann sehe ich sie und Waljakov wieder? Das Kind müsste inzwischen schon groß sein.«
    »Freut Euch, dass Eure Flucht geglückt ist«, riet der Hofnarr traurig. »Und dann sprecht ein stilles Gebet für sie und den Knaben. Ich denke nicht, dass wir sie jemals wieder sehen werden.« Stoiko schluckte schwer. Er wagte es nicht, nach dem kurzangebundenen Leibwächter zu fragen. »Sie sind vor fünf Jahren auf hoher See von Nesrecas Helferin versenkt worden. Nur Torben Rudgass kam mit dem Leben davon.«
    Eine stählerne, eiskalte Hand umfasste das Herz des Mannes und presste es zusammen, Freude über die Freiheit und der Schmerz über den Verlust der liebsten Freunde mischten sich zu einem überwältigenden Gefühl und ließen den Mann lautlos in Tränen ausbrechen. Die Gesichter der Verlorenen entstanden vor seinem inneren Auge. Wenn das der Preis für sein Entkommen war, dann war er zu teuer. Hatte er Ulldrael zu früh gelobt? Doch seine Frage wurde nicht beantwortet.
    Die Kutsche holperte durch die Nacht und näherte sich der Anlegestelle, wo das Boot auf die Flüchtlinge wartete, um sie in Sicherheit zu bringen.

V.
Sieben Jahre später …
    Doch das Tun der Seherin blieb den Mächten der Dunkelheit nicht verborgen.
    Sogleich näherten sich die Beobachter, die einst Sinured gedient hatte, der Seherin. ›Was hast du gesehen, kleine Frau?‹, verlangte die Kreatur lauernd. ›Du hast das Schicksal unseres Hohen Herrn erkundet, oder?‹, wisperte es drohend in ihrem Verstand. ›Du wirst niemandem von deinen Entdeckungen berichten, oder wir finden und töten dich. Deine Seele werden wir rauben und sie verschlingen, deinen Körper werden wir schänden und deine Familie auslöschen, wenn du nur ein Sterbenswörtchen verrätst, kleine Frau.‹
    DAS BUCH DER SEHERIN
    Ulldart, Großreich Tarpol, Hauptstadt Ulsar, Sommer 456 n.S.
    Ein Liedchen summend schwenkte der Junge die Mistgabel, kratzte das dreckige Stroh aus dem Stallabteil heraus und häufte es auf dem breiten Mittelgang an. Nachdenklich schaute er auf den übergroßen Pferdehintern direkt vor ihm. Der Schweif zuckte nach rechts und nach links, der Kopf des Tieres wandte sich zu dem Stallburschen, als würde es etwas im Schilde führen.
    »Komm bloß nicht auf dumme Gedanken«, warnte der Junge den jungen weißen Hengst mit fester Stimme. »Wenn dein Bein auch nur zuckt, piekse ich dir die Zinken in deinen Schinken, mein Freund.« Das Pferd schnaubte und scharrte mit dem Huf. »Ich weiß schon, was du möchtest.« Er blickte vorsichtig nach rechts und nach links. »Na gut, meinetwegen.«
    Dann huschte er in die Box. Behutsam streifte er dem Schimmel Zügel über, setzte die Trense ein und führte ihn aus dem Stallabteil. Weil der Rücken zu hoch war, gelangte er nicht aus eigener Kraft hinauf, sondern musste jedes Mal, wenn er einen heimlichen Ausritt plante, zu einem Trick greifen.
    Langsam ließ er die Lederriemen los, kletterte rasch halb die Leiter zum Heuboden hinauf und schwang sich von dort auf das Kreuz des Rosses.
    Lammfromm stand der mächtige Vierbeiner im Gang und wartete auf das Zeichen. Der Junge klopfte auf den breiten, muskulösen Hals. »Du bist ein Braver, Treskor, nicht wahr?« Er beugte sich nach vorne und angelte nach den Zügeln. Die Ohren des Schimmels standen waagerecht.
    »Hatt, hatt!«, rief der junge Reiter und machte sich ganz flach. Der Hengst schoss übermütig wiehernd los, preschte zum Tor hinaus und setzte mit Leichtigkeit über das Gatter, das die Koppel von der dahinterliegenden freien Wiese trennte.
    Die wilde Jagd ging quer über die Grasebenen, die sich um Ulsar erstreckten, und Treskor schien sich mit Absicht immer die Wege auszusuchen, auf denen Hindernisse auftauchten.
    Dem Jungen war es recht, er fühlte sich eins mit dem Schimmel, wie er sich eins mit allen Pferden fühlte, auf denen er saß. Er spürte die Bewegung der Muskeln Unter sich, die Wärme, die von dem Leib des Tieres ausging, und lenkte das Ross mit leichtem Druck seiner Schenkel und nur geringem Dirigieren über die Zügel. Es schien, als wären die Pferde gedanklich mit ihm verbunden und bildeten eine Symbiose mit dem jungen Reiter. Noch nie war es ihm passiert, dass ein Vierbeiner scheute oder ihn abwerfen

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