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Unter Den Augen Tzulans

Unter Den Augen Tzulans

Titel: Unter Den Augen Tzulans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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wollte.
    Dennoch wusste keiner, wie gut der Junge reiten konnte, denn er musste seine Ausflüge in aller Heimlichkeit durchführen. Es stand einem einfachen Stallburschen wie ihm nicht zu, die Pferde des Kabcar zu reiten. Würde es jemand bemerken, würden ihn die schlimmsten Strafen erwarten, die er sich nicht ausmalen durfte. Aber das Schrecklichste wäre, dass er seine Anstellung am Gestüt verlieren würde. Deshalb unternahm er solche Ausritte nur, wenn er sich absolut sicher sein konnte, von niemandem beobachtet zu werden.
    An diesem strahlenden Sommertag war er sich sicher, und Treskor gehörte zu den Pferden, mit denen er am besten hantieren konnte. Diese Empathie war besonders ausgeprägt, deshalb erwies es sich als außerordentlich schwierig, dem Hengst einen Ritt abzuschlagen, wenn die braunen Augen ihn bittend ansahen. Die eigens eingestellten Reitknechte kamen ihrem Auftrag, für die Bewegung der Tiere zu sorgen, mehr schlecht als recht nach.
    Genauso außer Atem wie Treskor, zügelte der Junge das Pferd auf einem Hügel, um sich Ulsar, das Herz des Großreiches Tarpol in all seiner Pracht anzuschauen.
    Die Sonnen schienen auf eine wachsende, pulsierende Stadt, die sich schon lange über die ursprünglichen Mauern hinweg ausgedehnt hatte. Das Herz des Landes schlug kräftig und zeigte seinen Reichtum durch immer schönere, höhere und mitunter abenteuerlich gestaltete Bauten.
    Die spitzen, düsteren Türme der Kathedrale zu Ehren Ulldrael des Gerechten reckten sich gegen das Blau des Himmels, als wollten sie den Gott herausfordern, anstatt ihn zu preisen. Obwohl noch nicht ganz fertig gestellt, übte das Gebäude eine mächtige Faszination aus, das hatte der Junge bereits am eigenen Leib erfahren. Es war das Finstere der Konstruktion, das für Ehrfurcht und Schrecken gleichermaßen sorgte und so gar nicht zu den Lehren des Gerechten passte.
    Ihm wäre es nicht aufgefallen, aber seine gottesfürchtige Mutter, die als Magd im Palast des Kabcar ihr Brot verdiente, bemängelte hin und wieder, dass sich die Gebete und Lieder zu häufig änderten.
    Ein gewaltiger Tross erregte seine Aufmerksamkeit. Vier Kutschen mit der Standarte des Kabcar und vier Dutzend Leibwachen kamen die ausgebaute Straße entlang und steuerten an der nächsten Abzweigung in Richtung des Gestüts.
    Dem Jungen lief es eiskalt den Rücken hinab. »Treskor, wir müssen zurück! Ich glaube, die wollen zu uns.«
    Eilig wendete er den Hengst und jagte in halsbrecherischem Tempo zurück, die Erde donnerte unter den beschlagenen Hufen des Rosses, hoch flogen die Dreckklumpen in die Luft. Ein letzter Satz, und die beiden waren wohlbehalten in den Stallungen angekommen. Anscheinend hatte niemand ihre Abwesenheit bemerkt, wenn auch, das hörte der Knabe, auf dem großen Hof helle Aufregung herrschte.
    Schnell führte er Treskor in sein Abteil zurück und rieb das Pferd mit Stroh ab. Er hoffte, dass das Fell des Schimmels schnell trocknete. Würde einer der Knechte den Schweiß an den Flanken entdecken, wäre es um ihn geschehen.
    Voll des schlechten Gewissens machte er sich daran, die Misthaufen, die im Gang auf ihre Entsorgung warteten, auf die Schubkarre zu laden und abzufahren. Anschließend erklomm er den Heuboden, um frisches Stroh nach unten zu werfen.
    Der hohe Besuch lockte ihn wenig, weil er insgeheim fürchtete, man würde seine Übertretung mit nur einem Blick entdecken, schaute man in seine Augen. Lieber verkroch er sich zwischen den Halmen und blieb in sicherer Deckung.
    Überrascht hielt er mit dem Bündeln von Stroh inne, als er Kinderstimmen unter sich hörte. Schnell legte er sich auf den Holzboden, fegte ein paar Stängel zur Seite und schaute durch ein Astloch nach unten.
    Ein Mädchen in seinem Alter mit langen schwarzen Haaren und in einem sehr aufwändig geschneiderten Kleid schlenderte neugierig den Gang entlang und schaute nach den Pferden, während ein gleichaltriger Junge mit kurzen dunkelblonden Haaren gelangweilt nachfolgte. Er trug eine nicht weniger teure Uniform und sogar einen kleinen Säbel an seiner Seite.
    Als er sich unbeobachtet wähnte, legte er die Handflächen zusammen, richtete die Fingerspitzen auf ein Abteil und schloss die Augen. Ein kleiner blauer Blitz entlud sich daraus, und der Junge hörte ein Pferd erschrocken wiehern.
    Der Junge lachte zufrieden, während sich das Gesicht des Stallburschen verfinsterte. Er war gerade im Begriff aufzuspringen, um den Eindringlingen die Meinung zu sagen, als eine

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