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Unter Deutschen

Unter Deutschen

Titel: Unter Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Kennedy
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Protestant stundenlang im Kirchenschiff, während sein privilegierter katholischer Freund einenPlatz beim Altar ergattert. Am Ende lässt ihn Kennedy sogar in Boulogne mit dem Auto zurück, um selbst das Postschiff nach England nehmen zu können.
    Ein weiterer Begleiter ist ein in Deutschland erworbenes Haustier: ein Dackel (»Dachshund«), den Kennedy nach dem Sekretär des Botschafters der USA in Paris, Carmel Offie, benennt. Dass die beiden Amerikaner die nationalsozialistische Diktatur zusammen mit einem Tier bereisen, erinnert an den kuriosen Transit der Schriftstellerin Virginia Woolf, die das Land zwei Jahre zuvor mit ihrem Hausäffchen »Mitz« durchquert hatte, um so die Aufmerksamkeit der Einheimischen von ihr selbst ablenken und ihre eigenen Reaktionen auf den Faschismus in ihrem Tagebuch protokollieren zu können.
    Der Hund bringt ein Problem zutage, das in Kennedys Leben eine wichtige Rolle spielte: seine gesundheitlichen Beschwerden. Denn JFK reagierte allergisch und bekam einen besorgniserregenden Ausschlag. Zeitlebens litt er unter Schmerzen aufgrund chronischer Krankheiten (im Magen, im Darm, am Rücken). Wenn er eine Biographie schreiben würde, hat Billings einmal gescherzt, würde diese einen entsprechenden Titel haben: »John F. Kennedy – Eine Patientengeschichte«.
    All dies wird im Tagebuch höchstens nebenbei mitgeteilt. Der Stil der Aufzeichnungen ist schmucklos, lakonisch. Kennedys jungenhafter Humor kommt in saloppen Formulierungen zum Ausdruck, aber auch in einer trockenen Ironie, die sehr anspielungsreich und nicht immer auf Anhieb verständlich ist.
    So stellt er seinem Tagebuch eine Liste sämtlicher Unterkünftevoran, von denen er all jene mit Sternchen versieht, wo ihm beschieden wurde, er sei »kein Gentleman!« Diese eigenwillige Auszeichnung erhalten insgesamt zehn Etablissements, zwei davon sogar doppelt. Weil Billings über wenig Mittel verfügte, stiegen die jungen Männer in günstigen Pensionen oder in einer Jugendherberge ab. Dabei scheinen sie sich oft schlecht benommen zu haben. Immer wieder ist die Rede von »Ärger«, den sie sich einhandeln, wenn es um die Bezahlung geht oder um hinterlassene Sachschäden.
    Die Studenten der Elitehochschule Harvard sind aber durchaus auch kulturell interessiert. Ihre Reise ist ein touristisches Sightseeing. Kennedy berichtet von Kathedralen (Rouen, Beauvais, Notre-Dame, Orléans, Mailänder Dom, Petersdom, Kölner Dom), von Schlössern (Thierry, Fontainebleau, Versailles, Chambord, Blois, Amboise, Chenonceau und die Burgen am Rhein), von Museen (Louvre, Vatikan, Deutsches Museum) und von anderen historischen Stätten (Invalidendom, Lourdes, Kolosseum, Engelsburg, Pompeji). Er sieht Leonardo da Vincis »Letztes Abendmahl« in Mailand und Michelangelos »David« in Florenz.
    Jeden Sonntag geht der praktizierende Katholik zur Messe – so auch in den Kölner Dom, wo er die gotische Architektur bestaunt. Er besucht Oberammergau, wo die Passionsspiele aufgeführt werden. Dabei erwähnt er Anton Lang, der als Darsteller mehrfach den Christus gegeben hatte und dadurch auch international bekannt geworden war.
    Die beiden Touristen fahren außerdem nach Garmisch-Partenkirchen, wo das Hitler-Regime die Olympischen Winterspiele inszeniert hatte. Im Deutschen Museum in München bewundert Kennedydie Installationen zum Bergbau und zur Luftfahrt als Ausdruck von deutschem Perfektionismus. Er hebt die Schönheit des Rheintals hervor, mit den malerischen Dörfern und Burgen, aber auch die Modernität der Reichsautobahnen, die bekanntlich zu militärischen Zwecken angelegt waren.
    Zwischen studentischen Abenteuern und touristischen Impressionen stellt Kennedy im Verlauf der gesamten Reise politische Betrachtungen an, die aus heutiger Sicht von besonderem Interesse sind. Eine Reihe von Beobachtungen an den vorherigen Stationen bereitet die Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Deutschland vor. So besichtigen Kennedy und Billings schon kurz nach ihrer Ankunft in Frankreich die Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges: den Chemin des Dames, das Fort de la Pompelle, die beschossenen Kathedralen von Soissons und Reims sowie den amerikanischen Soldatenfriedhof unweit des Château Thierry. An der spanischen Grenze sehen sie die von den Franquisten zerstörte baskische Stadt Irún, und sie hören die furchtbaren Geschichten der Flüchtlinge. Ganz in der Nähe hat die deutsche »Legion Condor« drei Monate zuvor die Stadt Guernica bombardiert. Das

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