Unter die Haut: Ein romantischer SM-Roman (German Edition)
Körperlichkeit an den Rand des Bewusstseins geschoben hat.
Mens sana, schießt es ihr durch den Kopf, und sie muss lächeln, denn den gesunden Geist im gesunden Körper hat sie eigentlich bisher immer nur mit der Notwendigkeit verbunden, Sport treiben zu müssen, nie aber mit der Möglichkeit, sich einfach etwas Gutes zu tun, tun zu lassen. Wie gut der ungewöhnliche Sex der vergangenen Nacht ihrem ganzen Selbst getan hat, ist ihr gerade völlig bewusst. Sich im Mittelpunkt des Begehrens zu finden, Hauptfigur einer Inszenierung zu sein, deren offenkundiges Ziel es ist, ihr einen Blick ins eigene Innere zu gewähren, ihre Befriedigung zu erreichen, empfindet sie nun als unbedingt erstrebenswertes, wohltuendes Szenario.
Gebadet, epiliert, gesalbt, frisiert und parfümiert tritt sie aus dem Bad vor den riesigen Kleiderschrank.
Über das fast durchsichtige Gespinst des weißen Sommerkleides, mehr enthüllend als ihre neue vollkommene Nacktheit verbergend, schnürt die Dame ihr das erste Korsett um die Taille. Nicht sehr fest, dennoch nimmt es ihr beim Blick in den Spiegel die Luft.
Sie fühlt sich wie neu erschaffen, ist begeistert von ihrem Spiegelbild.
Die kleinen Speckpölsterchen über der Hüfte, mit denen sie sich jahrzehntelang erbitterte Kämpfe geliefert hatte, bis sie sie eines Tages mit einer Art akzeptierender Milde zu dulden begann, sind nun unsichtbar. Fast schamlos findet sie es, wie sich ihr Busen nun üppig in dem tiefen Ausschnitt abzeichnet, wie die verschmälerte Taille die atemberaubende Rundung ihrer eigentlich schmalen Hüften, des hervorgehobenen Pos zur Geltung bringt.
Hauchdünne halterlose Strümpfe und Heels, die sie noch eben so verkraften kann, ohne staksen oder stolpern zu müssen, komplettieren ihr neues Bild. Juliette sieht umwerfend aus.
„ Wir werden langsam anfangen, die Schuhe sind nicht sehr hoch, aber du sollst ja nicht unsicher wirken am ersten Tag“, erklärt die Dame.
„ Oh, das wird schon gehen“, erwidert Juliette, sich langsam vor dem Spiegel drehend. „Aber schau mal, das ist ja unglaublich, wo nehme ich denn plötzlich diese Figur her?“
„ Ach, weißt du, die kleinen Helferlein, die jahrhundertelang unsere weiblichen Vorfahren in ihren unbequemen Materialien gequält haben, sind für uns heute doch einfach schöne, modische Accessoires geworden. Anscheinend sind aber moderne Frauen heute so darauf erpicht, sich immer und überall vor allem praktisch und lässig zu kleiden, dass sie ganz vergessen haben, wie erotisierend diese Kleidungsstücke wirken können. Nicht nur auf Männer! Oder fühlst du dich jetzt etwa nicht unglaublich sexy?“
„ Und wie! Aber das kann nicht bloß an diesem Anblick liegen, der ganze Körper fühlt sich irgendwie anders an“, antwortet sie, eine Erklärung erwartend.
„ Das, meine Liebe, liegt an der etwas veränderten Durchblutung, speziell im Unterleib“, verrät die Dame mit verschwörerischem Zwinkern. „D ie Kombination von Korsett und Heels zwingt dich in eine andere Haltung, und auch schon das leicht Geschnürte verschiebt ein wenig. Du fühlst dich wie umfasst, nicht wahr?“
„ Ja, genau“, stimmt sie zu. „Und sogar ein bisschen erregt.“ Ein leises Erröten über ihr Geständnis kann sie nicht ganz verhindern.
„ So muss das sein“, schmunzelt die andere, „aber nun lass uns gehen, du musst etwas in den Magen bekommen, außerdem werden wir erwartet.“
Auf dem Weg nach unten nimmt sie nun erst wirklich wahr, wie wunderschön das alte Haus ist. Es muss um die vorletzte Jahrhundertwende gebaut worden sein, die Fenster sind groß und im oberen Teil jeweils mit bunten Gläsern im Jugendstil versehen. Die Türen wirken riesig und die Türklinken und Beschläge weisen meisterhafte feine Ornamente auf. Im oberen Stock, in den Schlafzimmern, befinden sich Stuckarbeiten an den Decken.
Sie betreten nun über die breiten Treppen, deren gedrechseltes Holzgeländer ihr sicheren Halt gibt in den ungewohnt hohen Schuhen, die große Eingangshalle.
Ihr Blick zur vertäfelten Decke offenbart die herrlichen Einlegearbeiten in den kostbaren Hölzern. Zahlreiche Türen, hier unten, anders als oben, nicht weiß, sondern in weichen, dunklen Holzfarben, verschließen Räume, die sie noch nicht betreten hat.
Durch riesige Fenster fällt helles Morgenlicht. Eine offen stehende Tür führt über eine weitläufige Terrasse, eingefasst mit zierlichen, hüfthohen weißen Säulen. Dahinter erstreckt sich ein lichter
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