Unter Freunden
das sie zu ihrer Hochzeit geschenkt bekommen hatten.
Osnat sagte: »Ja. In Ordnung.«
»Was heißt das?«
»Geh.«
Und dann sagte sie: »Geh schon.«
Ariela Barasch war geschieden, schlank und hochgewachsen, sie hatte einen zarten Hals, Locken und lachende Augen, von denen eines leicht schielte. Sie arbeitete im Hühnerstall und war zugleich die Koordinatorin unseres Kulturausschusses. Sie war zuständig für Feiertage, Zeremonien, Hochzeiten, für die Einladungvon Vortragenden für die Schabbatabende und für die Auswahl der Filme, die mittwochabends im Speisesaal gezeigt wurden. Sie hatte die kindliche Angewohnheit, »sch« wie »s« auszusprechen. In ihrer Wohnung hielt sie einen alten Kater und einen jungen Hund, fast noch ein Welpe, die friedlich beisammen lebten. Der Hund fürchtete sich ein wenig vor dem Kater. Wenn sie aufeinandertrafen, machte er ihm höflich den Weg frei, der Kater wiederum ignorierte den Hund völlig und ging an ihm vorbei, als wäre er Luft. Doch die meiste Zeit des Tages verbrachten beide dösend, der Kater lag auf dem Sofa und der Hund auf dem Teppich, und sie beachteten einander nicht. Ein Jahr lang war Ariela Barasch mit Efraim verheiratet gewesen, einem Berufsoffizier, der sie dann wegen einer jungen Soldatin verlassen hatte. Die Beziehung zwischen ihr und Boas hatte angefangen, als er einmal zu ihr gekommen war, um ihren tropfenden Wasserhahn wieder in Ordnung zu bringen. Sein Trägerhemd war voller Schmierölflecken, und er trug einen breiten Ledergürtel mit einer großen Metallschnalle. Als er sich über den Hahn beugte, strich sie ihm ein paarmal sanft über den verschwitzten Rücken, bis er sich zu ihr umdrehte, ohne die Rohrzange und den Schraubenschlüssel aus der Hand zu legen. Von da an hatte er sichimmer wieder für eine halbe Stunde oder eine Stunde in ihr Zimmer gestohlen, doch irgendjemand im Kibbuz Jikhat hatte die Heimlichkeiten bemerkt und nicht gezögert, sie den anderen mitzuteilen. Bei uns sagte man: Ein seltsames Paar, er ein Phlegmatiker, der kaum ein Wort herausbringt, während sie unaufhörlich redet. Roni Schindlin spottete: »Der Honig hat den Bär gefressen.« Niemand erzählte Osnat davon, aber ihre Freundinnen umgaben sie mit übertriebener Freundlichkeit und fanden Wege, sie daran zu erinnern, dass sie bei uns nicht allein sei, und wenn sie etwas brauche, und so weiter. Dann packte Boas seine Sachen in den Fahrradkorb und zog zu Ariela. Nachmittags kam er von der Arbeit in der Werkstatt zurück, zog die Arbeitskleidung aus und ging duschen. Von der Tür des Badezimmers aus fragte er immer: »Nun, was ist heute wieder passiert?«
Und Ariela antwortete verwundert: »Was soll passiert sein? Nichts ist passiert. Geh unter die Dusche, danach trinken wir Kaffee.«
Ariela fand einen zusammengefalteten Zettel in ihrem Postfach in der linken unteren Ecke neben dem Eingang zum Speisesaal. Darauf stand in der runden, ruhigen Handschrift Osnats: »Boas vergisst immer, die Tabletten gegen Bluthochdruck zu nehmen. Er muss morgens nach dem Aufstehen und abends vor dem Schlafengehen eine nehmen, und morgens auch eine halbe Tablette gegen Cholesterin. Er sollte den Salat ohne schwarzen Pfeffer und mit sehr wenig Salz essen, außerdem nur mageren Käse und auf keinen Fall Steaks. Fisch und Geflügel darf er essen, aber ohne scharfe Gewürze. Und nicht zu viele Süßigkeiten. Osnat. P.S. Und er sollte weniger schwarzen Kaffee trinken.«
Ariela Barasch legte einen Antwortzettel in Osnats Postfach. Darauf stand in ihrer spitzen, unruhigen Handschrift: »Danke. Das ist sehr großmütig von Dir. Boas leidet auch an Sodbrennen, aber er sagt, das wäre nichts. Ich werde versuchen, alles zu beachten, was Du geraten hast, aber er ist nicht so einfach, er achtet nicht auf seine Gesundheit, er achtet auf alles Mögliche nicht. Das weißt Du ja. Ariela B.«
Osnat schrieb zurück: »Wenn Du ihm keine in Fett gebratenen, sauren und scharfen Gerichte zu essen gibst, wird er auch kein Sodbrennen haben. Osnat.«
Ariela Barasch antwortete ihr ein paar Tage später: »Ich frage mich oft, was wir getan haben. Seine Gefühle sind sehr verhalten und meine wechseln. Er mag meinen Hund, aber den Kater kann er nicht ausstehen.Wenn er nachmittags von der Arbeit in der Werkstatt zurückkommt, fragt er mich: Nun, was ist heute wieder passiert? Dann duscht er, trinkt schwarzen Kaffee, sitzt in meinem Sessel und liest Zeitung. Als ich ihn dazu bewegen wollte, Tee statt Kaffee zu trinken, ist
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