Unter Freunden
sagte: »Am Schluss wird es zu einem Krieg werden. Es wird unausweichlich zu einem schrecklichen Krieg führen.«
Und Immanuel Glusman, der Stotterer, ereiferte sich: »K-k-krieg. S-s-sehr gut. Wir werden s-s-siegen und das Land bis zum J-j-jordan erobern.«
Ruvke Rot überlegte laut: »Ben Gurion ist ein großer Schachspieler. Immer sieht er fünf Züge voraus. Aber was? Bei ihm geht alles nur mit Gewalt.«
Zvi Provisor prophezeite traurig: »Wenn wir verlieren, werden die Araber kommen und uns auslöschen. Wenn wir gewinnen, werden die Russen kommen und uns in die Luft sprengen.«
Immanuel Glusman flehte: »G-g-genug, Freunde, still, l-l-lasst uns in Ruhe Z-z-zeitung lesen.«
Und nach einigen Minuten Schweigen verkündete Zvi: »Habt ihr schon gehört? Hier steht, dass der König von Norwegen an Leberkrebs erkrankt ist. Auch bei uns hat der Vorsitzende der Bezirksverwaltung Krebs.«
Wenn Roni Schindlin, der Spötter, Zvi vor der Schusterei oder vor dem Kleidermagazin begegnete, zog er ihn auf: »Nun, Todesengel? Welches Flugzeug ist heute abgestürzt?«
Es wurde Zvi Provisor und Luna Blank zu einer Art Gewohnheit, gegen Abend ein paar Worte zu wechseln. Er saß am rechten Rand der linken Bank vor dem großen Rasen, und sie saß in seiner Nähe, am linken Rand der rechten Bank, in einem hübschen sommerlichen Trägerkleid. Er blinzelte und erzählte ihr etwas, sie zerdrückte ihr Taschentuch zwischen den Fingern und lobte die Gartenanlagen des Kibbuz, die Arbeit seiner Hände, und sagte, es sei sein Verdienst, dass wir hier in einer solchen grünen Aue lebten, im Schatten blühender Obstbäume, umgeben von bunten Blumenbeeten. Sie hatte eine gewisse Neigung zu blumigen Worten. Sie unterrichtete die dritte Klasse und brillierte mit zarten Bleistiftzeichnungen, die die Wände einiger unserer kleinen Wohnungen zierten. Sie hatte ein rundes, lachendes Gesicht und lange Wimpern, aber ihr Hals war ein bisschen faltig, ihre Beine waren sehr dünn, und sie hatte fast keinen Busen. Ihr Mann war vor ein paar Jahren umgekommen, während seines Reservedienstes an der Grenze zu Gaza. Kinder hatten sie nicht. Bei uns galt sie als eine Frau mit positiver Grundeinstellung, die das ihr widerfahrene Unglück bewältigt hatte und sich mit ganzer Seele ihrer pädagogischen Aufgabe widmete. Zvi sprach über Rosensorten, und sie nickte immer wieder begeistert,als wollte sie ihm Wort für Wort zustimmen. Dann berichtete er ihr in allen Einzelheiten von der furchtbaren Heuschreckenplage, die den Sudan heimsuchte.
Luna sagte: »Du bist solch ein empfindsamer Mann.«
Zvi blinzelte und sagte: »Auch ohne das haben sie dort im Sudan schon wenig Grünes.«
Luna fragte: »Warum lädst du dir alles Leid der Welt auf deine Schultern?«
Zvi antwortete: »Die Augen vor der Grausamkeit des Lebens zu verschließen ist meiner Meinung nach Dummheit und Sünde. Tun können wir nur sehr wenig. Deshalb muss man es zumindest zur Sprache bringen.«
An einem dieser Sommerabende lud sie ihn zu sich ein, zum Kaffee. Er kam in seiner guten Kleidung, einer langen Khakihose und einem hellblauen Hemd mit kurzen Ärmeln. Sein Transistorradio hatte er an seinem Hosengürtel befestigt, und um acht Uhr entschuldigte er sich und hörte Nachrichten. An den Wänden von Luna Blanks Zimmer hingen in einfachen Rahmen einige ihrer Bleistiftzeichnungen. Auf diesen Bildern waren verträumte junge Mädchen zu sehen, außerdem gab es auch Landschaftsskizzen von felsigen Hügeln mit Olivenbäumen. Unter dem Fenster stand ein Doppelbett mit einem Überwurf und bestickten orientalischenKissen. In dem weißen Regal standen Bücher, die nach Größe geordnet waren, erst Kunstbände von van Gogh, Cézanne und Gauguin, dann die Cassuto-Bibelausgabe, schließlich Romane aus der Reihe Bibliothek des Volkes. Mitten im Zimmer standen ein runder, niedriger Tisch, über den eine bestickte Decke gebreitet war, und zwei schlichte Sessel. Der Kaffeetisch war schon für zwei gedeckt.
Zvi Provisor sagte: »Es ist sehr angenehm bei dir.« Und er fügte hinzu: »Sauber. Ordentlich.«
Luna Blank sagte verlegen: »Danke. Das freut mich.«
Aber in ihrer Stimme lag keine Freude, sondern nur verschämte Anspannung.
Dann tranken sie Kaffee und aßen Kekse. Sie sprachen über Zierbäume und Obstbäume, sie sprachen darüber, wie schwer es war, Autorität in der Schule zu wahren, in dieser Zeit, in der alles erlaubt war, sie sprachen über Zugvögel.
Zvi blinzelte und sagte: »In Hiroshima,
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