Unter Freunden
er wütend geworden und hat gebrummt, ich solle bloß aufhören, seine Mutter zu spielen. Immer schläft er im Sessel ein, die Zeitung gleitet auf den Boden, und um sieben wacht er wieder auf und hört die Nachrichten im Radio. Währenddessen streichelt er den Hund und murmelt irgendwelche unverständlichen Kosenamen, aber wenn der Kater auf seinen Schoß springt und um Liebe wirbt, scheucht er ihn hart und angewidert weg, und in mir zieht sich alles zusammen. Als ich ihn einmal gebeten habe, eine klemmende Schublade wieder in Ordnung zu bringen, da hat er nicht nur die Schublade wieder in Ordnung gebracht, sondern auch die beiden Schranktüren ausgebaut und wieder neu eingesetzt, und danach hat er gelacht und gefragt, ob er auch noch den Fußboden oder das Dach reparieren solle. Ich frage mich, was mich zu ihm gezogen hat und manchmal noch immer zieht, und ich finde keine klare Antwort. Auch nach dem Duschen sind seine Fingernägel noch schwarz vom Motoröl, die Haut seiner Hände ist rau und rissig, und seineWangen sind nach dem Rasieren noch voller Stoppeln. Vielleicht ist es sein ewiges Dösen, denn auch wenn er wach ist, scheint er zu dösen, und das reizt mich dazu, ihn aufwecken zu wollen. Aber das gelingt mir nur für einen Moment, Du weißt, wie, und selbst das nicht immer. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an Dich denke, Osnat, kein Tag, an dem ich mich nicht selbst als Schurkin beschimpfe, kein Tag, an dem ich mich nicht frage, ob es überhaupt eine Entschuldigung für das gibt, was ich Dir angetan habe. Und manchmal sage ich mir, Osnat hat es vielleicht in Wirklichkeit nicht so viel ausgemacht, vielleicht hat sie ihn nicht geliebt? Das ist schwer zu wissen. Man könnte denken, ich hätte die Wahl gehabt, Dir das anzutun oder nicht. Aber eigentlich haben wir nicht wirklich eine Wahl. Diese ganze Sache der Anziehung zwischen Mann und Frau kommt mir auf einmal seltsam und sogar ein bisschen lächerlich vor. Dir vielleicht auch? Wenn ihr Kinder gehabt hättet, hätten Du und ich viel mehr gelitten. Und er? Was empfindet er eigentlich? Wie soll man das wissen. Du weißt so genau, was er essen darf und was nicht, aber weißt Du, was er empfindet? Ob er überhaupt etwas empfindet? Ich habe ihn sogar einmal gefragt, ob er es bereut, er hat irgendetwas vor sich hin gebrummt unddann gesagt: Du siehst doch selbst, dass ich hier bei dir bin und nicht bei ihr. Du sollst wissen, Osnat, dass ich fast jede Nacht, wenn er eingeschlafen ist, wach im Bett liege und das Mondlicht betrachte, das durch den Spalt zwischen den Vorhängen hereinfällt, und dann frage ich mich, was wäre, wenn ich Du wäre. Ich fühle mich von Deiner Ruhe angezogen. Ach, wenn ich doch etwas von Deiner Ruhe in mich aufnehmen könnte. Manchmal stehe ich auf und ziehe mich an, um mitten in der Nacht zu Dir zu laufen, so wie ich bin, und Dir alles zu erklären, aber was kann ich erklären? Dann stehe ich zehn Minuten auf der Terrasse, schaue in den hellen Nachthimmel und suche den Großen Bären, danach gehe ich ins Zimmer zurück, ziehe mich aus und lege mich wieder wach ins Bett. Er schnarcht friedlich vor sich hin, und ich werde von der Sehnsucht gepackt, ganz woanders zu sein. Vielleicht sogar in Deinem Zimmer, zusammen mit dir. Du musst verstehen, das passiert mir nur nachts, wenn ich wach im Bett liege und nicht einschlafen kann und nicht verstehe, was passiert ist und warum, und dann auf einmal nur noch eine drängende Nähe zu Dir fühle. Ich würde zum Beispiel gern mit Dir in der Wäscherei arbeiten. Nur wir beide. Deine beiden Zettel trage ich ständig bei mir, wieder und wieder falteich sie auf und lese sie. Ich möchte, dass Du weißt, wie sehr ich jedes Wort, das Du mir geschrieben hast, schätze, und noch mehr erfüllt mich Hochachtung vor dem, was Du mir nicht geschrieben hast. Im Kibbuz reden sie über uns, sie wundern sich über Boas und sagen, ich wäre einfach vorbeigegangen, hätte mich gebückt und ihn von Dir weggepflückt, und sie sagen auch, dass es für Boas sowieso einerlei wäre, in welche Wohnung er nach der Arbeit geht und in welchem Bett er schläft. Als ich Roni Schindlin vor dem Kibbuzsekretariat begegnet bin, hat er mir zugezwinkert, gelacht und gesagt: »Nun, Mona Lisa, stille Wasser sind tief, nicht wahr?« Und ich habe ihm nicht geantwortet und bin beschämt weggegangen. Dann, in meinem Zimmer, habe ich geweint. Ich weine jetzt manchmal nachts, wenn er eingeschlafen ist, nicht seinetwegen oder nicht nur
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