Unter Sternenjägern
ob sie sich nach all den Jahren der Unterdrückung jemals mit dieser spontanen Freude im Körper würde bewegen können. Oder mit der raschen, rieselnden Flüssigkeit der Wildlinge FÜHLEN – nach all den Jahren der Verleugnung.
Milch spritzte auf ihren Fuß. Sie hielt an, balancierte die Eimer aus, versuchte, das Joch starr waagerecht zu halten. Morgen würde sie Schwielen an Schultern und Händen haben. Sie schaute zur Sonne auf. Der westliche Horizont ergrünte, über der Emwilea-Hecke war nur noch der obere Rand von Jua Churukuu sichtbar. Der Tag war fast vorbei. Das Pendeln der Eimer beruhigte sich, und sie stand da und belächelte die Dämmerschatten im Küchengarten, der wegen der hohen Steinmauern, die ihn umgaben, von den Hasen verschont geblieben war, stand da und atmete die Schärfe der Kräuter ein, die zu ihren Füßen wuchsen. Stand da und genoß die Stille und Einsamkeit.
Auf dem Weg hier heraus hatte sie sich darüber Sorgen gemacht, sich vor dem Alleinsein gefürchtet. Dumm, dachte sie. Sie lachte, und der Ton klang angenehm in ihren Ohren. Sie setzte das Joch auf ihre Schultern und ging durch die länger werdenden Schatten auf die Küchentür zu. Ihre Muskeln waren jetzt nicht mehr verkrampft; sie verfiel in einen gleichmäßigen Gang, ohne daran zu denken, und bewegte sich leichtfüßig den Plattenweg entlang.
In der Küche stellte sie die Eimer neben der Tür, die in den kalten Keller hinunterführte, ab. Dann stand sie da und schaute sich um. Was sollte sie zum Abendessen machen? Sie wurde der Wurst- und Käsemahlzeiten ziemlich überdrüssig, und Hodarzu sollte warmes Essen haben. Sie stocherte in den Bohnen, die in einem Topf auf dem hinteren Teil des Holzofens brodelten. Dort standen sie seit dem Morgen, und sie waren noch immer hart wie Steine. Wie lange dauerte es nur, die verfluchten Dinger weichzukochen? Vielleicht eine Suppe? Fleisch aus dem kalten Keller und Gemüse aus dem Garten. Dieser Gedanke ließ ihren Mund wäßrig werden. Sie wühlte in den Töpfen und Pfannen herum, fand einen, der passend aussah, füllte ihn mit Wasser. Sie schnippelte ein paar Brocken getrocknetes Fleisch ab, dann ging sie hinaus, um zu sehen, was sie im Garten finden konnte.
Sie mußte die Küchenlampen anzünden, bevor sie damit fertig war, das Gemüse für die Suppe zu waschen und zu zerhacken. Sie warf alles in den Topf, fügte eine Prise Salz und ein paar Kräuter hinzu und stellte den Topf dann auf die Kochplatte neben die Bohnen. Sie trat zurück und blickte ihn stirnrunzelnd an. „Ich hoffe, du kochst ein bißchen schneller“, sagte sie, wobei sie dem Topf mit den Bohnen einen zweifelnden Blick zuwarf.
Hodarzu, dachte sie. Zeit, ihn hereinzuholen. Sie hatte ihn im Wassergarten spielen lassen. Sie gähnte, klopfte mit der Hand auf die Lippen und schlurfte durch das Haus. Sie war angenehm und gründlich müde; sie hatte ihren Körper heute härter arbeiten lassen als je zuvor. Aber ihr Geist war ruhig. Den ganzen Tag über hatte sie gefühlt, wie sich ihre Nerven lockerten, so lange straff gespannte Nerven, daß sie mittlerweile fast vergessen hatte, wie man sich entspannte. Sie durchquerte den Versammlungsraum, ging durch die hohen Türen hinaus in den Garten. „Hodarzu, Zeit hereinzukommen, Baby.“ Als keine Antwort kam, rief sie wieder, diesmal lauter: „Hodarzu!“
Der Garten war leer. Ein wenig besorgt, aber nicht sehr besorgt kehrte sie um, ging durch das Haus und rief ihren Sohn. Keine Antwort. Sie runzelte die Stirn, stieß die Vordertür auf. Wenn er hier war, dann würde er den Po versohlt bekommen. Sie wollte nicht, daß er bei der Mutter Brunnen herumspielte. Sie trat an den Verandarand und schaute umher.
Die Wildlingskinder flitzten wie zerfetzte braune Blätter in einem unheimlichen, stillen Fangspiel, das mehr wie ein wilder Hexentanz als irgendein Kinderspiel aussah, im Hof herum. Und Hodarzu rannte mit ihnen. Der Hof war erfüllt von Bruchstücken stummen Lachens und gutwilligen Spottens. Sie berührten sich und sprangen auseinander, befolgten Regeln, die sie nicht begreifen konnte.
„O nein. O nein. O nein. Nein!“ FURCHT , ENTSETZEN , ZORN ausstrahlend, stolperte Kitosime die Stufen hinunter und griff nach ihrem Sohn. „Nein. Du wirst nicht verwildern, NEIN !“ Ihr Fuß verfing sich im Saum des Kleidertuchs, und sie stürzte auf die Fliesen. Einen Moment lang lähmte sie der Schock, dann krabbelte sie rasend auf die Füße und suchte nach ihrem Sohn.
Die Kinder
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