Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
Fenster zersprungen. Sie haben im Nebenraum den Hummer gestartet, kurz danach hat es gekracht und das ganze Gebäude hat gezittert. Ich habe versucht, auf die Beine zu kommen, durch das Fenster habe ich gesehen, dass es brennt, es war total laut und es ist immer heißer geworden, ich wollte auf und mit verbundenen Beinen hüpfen, aber die waren zu eng zusammengeschnürt, ich bin gestürzt und war wohl wieder kurz weg. – Und dann wart ihr da.“
Ich schenke mir noch einen Schnaps ein. „Und wer steht hinter Stepanovic?“, frage ich laut.
„Keine Ahnung“, antwortet Fran. „Zemlinsky scheint ihn für den Anführer zu halten. – Aber warum hat er das getan? Er ist Manager. Und verdammt gut bezahlt, nehme ich an.“
Mir fällt etwas ein. „Diese interne Mitteilung, die uns Carmen gezeigt hat, als wir …“, ich werfe meinem Oskar einen Blick zu. Ich sollte mit ihm einige Tage fortfahren, ganz weit fort, zumindest bis ins Veneto. „… damals auf Oskar gewartet haben. Die obersten ‚Pure Energy‘-Bosse haben Stepanovic befohlen, auf die besondere Situation in Österreich zu reagieren, bevor die Unruhe zu groß wird. Und sie haben ihm vollen Handlungsspielraum gegeben. Carmen meint, Stepanovic sei krankhaft ehrgeizig.“
„Es gibt noch etwas, das dazu passen könnte“, ergänzt der Generalleutnant. „Seine Ausbildung in Moskau. Er hat sie bei einem privaten Sicherheitsdienst gemacht, der in gewissem Sinn zur Elite zählt. Nahkampf, Angriffstechniken, alles, was Geheimdienstler so draufhaben. Wer diese Ausbildung durchsteht, fühlt sich quasi unbesiegbar.“
Dann läuten gleich zwei Telefone gleichzeitig. An dem von Vesna ist Valentin, der wissen will, was denn passiert sei. Und an meinem ist noch einmal Zuckerbrot. Diesmal nehme ich das Gespräch an.
[ 16. ]
Flammenhölle in der Gasstation!“ Ich bin für den Titel nicht zuständig, ich schwöre es. Am Cover des „Magazin“ ein Bild von Feuer und Rauch, verbogenen Rohrleitungen und eingestürzten Gebäuden.
Ich habe niedergeschrieben, was ich erlebt habe. Und was uns Fran erzählt hat. Der angeschossene Aktivist ist wieder ansprechbar und hat bestätigt, dass es Carlo war, der den Sprengstoff besorgt hat. Zuckerbrot hat mir das verraten. Im Austausch gegen vieles, was er nicht wissen konnte. Zemlinsky tischt nun eine andere Version auf: Nicht er, sondern Stepanovic habe den ehemaligen Vizekanzler Gruber auf dem Gewissen. Man habe ihn gezwungen, bei der Entsorgung der Leiche mitzutun und sein Auto später in das leer stehende Gebäude der Gasstation zu stellen. Er hätte viel gewusst und alles aufdecken wollen. – Ich glaube eher an das, was er Fran in Todesangst erzählt hat. Fran wird vor Gericht aussagen müssen. Und auch ich werde wiederholen, was mir Zemlinsky unmittelbar nach der Explosion gesagt hat: dass das mit Gruber bloß „ein Unfall“ gewesen sei.
Den Hummer hat man an der slowakischen Grenze gefunden. Die Auswertung der Spuren dauert noch. Im Fahrzeug waren zwei Kartons von „PRO!“ mit Sonnenaufklebern und Resten von Sprengstoff. Stepanovic ist keineswegs geflohen, er hält in seinem Büro die Stellung und droht allen, sie mit Klagen einzudecken. Er hat sofort am nächsten Tag eine Presseerklärung veröffentlicht:
„Ich bin an diesem Abend mit Geschäftsfreunden in Bratislava gewesen, das kann eine Reihe von Zeugen, die Namen liegen den ermittelnden Behörden vor, bestätigen. Der Anschlag geht auf das Konto der Umweltterroristen und wer zu grünäugig ist, um das zu sehen, ist selbst schuld. Ich gehe davon aus, dass meine Glaubwürdigkeit doch um einiges höher ist als die eines seit langem verdächtigen Hackers von ‚Cybersolar‘. Bezüglich der Anschuldigungen von Nationalratsabgeordnetem Zemlinsky muss ich zugeben, dass ich bereits seit geraumer Zeit Bedenken hinsichtlich seiner Integrität hatte. Die interne Revisionabteilung von ‚Pure Energy‘ hat den Auftrag, auch eventuelle illegale Kontakte und Geldflüsse zwischen ihm und Dr. Heinrich Gruber zu klären. Dass er für den Mord an Dr. Gruber verantwortlich ist, erschüttert mich dennoch. Wie Videoaufzeichnungen und Fotos belegen, war er aktiv an der Beseitigung der Leiche beteiligt.“
Angeblich hat Stepanovic der Polizei genau dasselbe gesagt. Ich habe seine Rechtfertigung natürlich in die Story eingebaut, das gehört sich so.
Tina Bogner und Karl Novak werden sich dafür verantworten müssen, dass sie die Aufzeichnungen der Überwachungskameras verschwinden
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