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Unter Tage

Unter Tage

Titel: Unter Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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Dich.
     
    »Ja?« Shreiber fuhr voll plötzlicher Angst zusammen und blickte verstört auf. Flecht. Flecht stand neben seinem Terminal. Warum stand Flecht dort? Was wollte der Kerl? Das Herz pochte in seiner Brust, und er fürchtete fast, Flecht würde das Beben unter seinem Hemd erkennen und die richtigen Schlüsse ziehen. »Ja, bitte?« sagte er heiser. »Ich habe nicht ganz verstanden.«
    Das Summen des Chrons brach ab.
    »Dreizehnnull«, sagte das Chron. »Mittagspause. Besuchen Sie doch während dieser Zeit draußen auf dem Vorplatz den Basar der Nationalmiliz zugunsten der Opfer des Reaktor-Unfalls. Spendenabzeichen gibt es bei Kauf gratis dazu …«
    »Ich dachte«, wiederholte Flecht, »ich könnte Ihnen ein wenig unter die Arme greifen. Nun ja, schließlich habe ich heute morgen Blatterns einsamen Kampf gegen den Arbeitsmangel mitbekommen. Hinter Ihnen war ja der gute Wollmann dran, der natürlich sofort den Schwanz eingekniffen hat. Blattern macht das regelmäßig. Zweimal am Tag. Das ist sein Pensum. Reine Schikane. Aber vielleicht wird’s auch von oben angeordnet.«
    »Von oben?« echote Shreiber verwirrt.
    »Von der Personalabteilung, klar, und von der Rationalisierung. Die Anforderungen werden doch seit Jahren ständig höhergeschraubt. Aber« – Flecht schob in einer bezeichnenden Geste den Daumen der rechten Hand unter den Zeigefinger – »aber Blattern erhöht die Normen auch privat, wegen der Prämien.«
    »Prämien?« fragte Shreiber. Und im stillen verwünschte er sich für sein desorientiertes Verhalten, verwünschte er den Druck in seinem Schädel, der ihn am klaren Denken hinderte und ihn veranlaßte, Flechts Schlußworte wie ein geschwätziger Papagei zu wiederholen. Denn was, zum Teufel, hatte dies schon wieder zu bedeuten? Es war ungewöhnlich, daß ihn einer seiner Kollegen ansprach. Im Grunde, erkannte Shreiber, wechselten sie nur ein paar Worte in der Frühstücks- und Mittagspause, wenn das Surren der Computerterminals verebbte, aber selbst dann drehten sich noch alle Gespräche um die Arbeit, um Blattern, um die Listen, Zahlen, Kennziffern und Dokumente … Es waren nicht einmal Gespräche, es waren Bemerkungen, die man automatisch von sich gab, ohne jemand direkt anzusprechen, dahingeworfenen Belanglosigkeiten, auf die man keine Antwort erwartete.
    »Natürlich bekommt Blattern Prämien«, erklärte Flecht. »Wenn wir schneller arbeiten als gewöhnlich und das festgelegte Pensum längere Zeit überschreiten, werden die Normen erhöht und Blattern kassiert seine Prämie. Oder sein Kopfgeld, ganz wie Sie wollen.«
    Shreibers Gehirn funktionierte mit einemmal wieder ungestört. Eine schwierige, eine unbekannte Situation, dachte er und schwitzte und versuchte, seine Nervosität zu unterdrücken. »Ich habe keine Zeit«, sagte Shreiber ablehnend. Warum sprach ihn Flecht auch an? Was bedeutete dieses Manöver. Gehörte Flecht ebenfalls zum Feind? Doch dafür verhielt er sich zu ungewöhnlich, viel zu ungewöhnlich. Zu – menschlich vielleicht? Aber es konnte selbstverständlich auch eine neue, bislang unerprobte Maske sein.
    »Mir bleibt noch eine Stunde«, sagte Shreiber verdrossen. »Tut mir leid, daß ich mich jetzt nicht mit Ihnen unterhalten kann.«
    »Ich möchte Ihnen helfen«, erinnerte Flecht.
    Shreiber spürte Zorn in sich wachsen. »Aber warum? Merken Sie nicht, daß Sie mich nur von der Arbeit abhalten? Ich meine, Sie müssen doch …«
    Flecht seufzte ungeduldig. Er schien halb entschlossen, auf dem Absatz kehrtzumachen und fortzugehen und Shreiber mit seinen Problemen allein zu lassen. »Sie schaffen das nicht«, sagte Flecht. »Nicht allein. Nicht bis vierzehn Uhr. Das schafft kein Mensch allein.« Er sah Shreiber fast belustigt an. »Also werde ich Ihnen helfen. Zeigen Sie einmal her … Hm, die statistischen Erfahrungswerte sind also schon erfaßt. Was ist mit den Produktions … Ah, da. Fehlt also noch die Gesamtprognose und die Bedarfsanalyse … Wo für braucht Blattern das Zeug? Wollen die in der Verpackung schon wieder neue Maschinen einführen?«
    Shreiber zuckte die Achseln. Was ging das ihn an? Ihn interessierten diese Dinge nicht. Er hatte Zahlen zu liefern und er lieferte sie. Mehr nicht. Das war alles.
    »Beim letztenmal«, murmelte Flecht, »als die die Sortierroboter angeschafft haben, erinnern Sie sich, da hat’s zwei oder drei Dutzend aus der Verpackung erwischt.«
    »Die Auslastungsanalyse«, bemerkte Shreiber in dem Bestreben, die Situation wieder

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