Unter Verdacht
Sylvia? Ihre Nachfolgerin? Das hatte ja nicht lange gedauert.
Miriam unterdrückte ihren Ärger. Sie knüpfte an der Stelle an, an der sie vom Telefon unterbrochen worden waren. »Vielleicht überlegst du es dir ja noch einmal und übernimmst die Sache doch persönlich.«
Karen glaubte, in Miriams Stimme so etwas wie Zärtlichkeit zu hören. Konnte es sein, dass Miriam sie wirklich liebte? Auf ihre Art vielleicht.
»Ja, möglicherweise«, erwiderte sie, um einer weiteren Diskussion über dieses Thema entgegenzuwirken.
»Schön. Du kannst mich ja dann anrufen. Auf alle Fälle möchte ich, dass so schnell wie möglich mit den Arbeiten begonnen wird.«
»Hast du bestimmte Vorstellungen zum Umbau?«
»Natürlich.« Miriam holte einen Briefumschlag aus ihrer Tasche und reichte ihn Karen. »Das sind die Grundrisspläne des Ateliers und einige Entwürfe mit Anweisungen für den Umbau.«
Karen nickte. Sie hatte nichts anderes erwartet.
»Ich gebe es weiter. In den nächsten Tagen wird sich Gregor mit dir in Verbindung setzen.«
Miriam ging.
Karen ließ sich in ihren Sessel fallen, drehte sich darin zum Fenster und sah hinaus. Sie grübelte. War es nicht besser, sie verzichtete auf Miriams Auftrag? Sie wusste aus Erfahrung: Miriam Winter tat nie etwas, ohne sich davon einen Vorteil zu versprechen. Und was sie vorhatte, war nur zu offensichtlich. Sie suchte auf diesem Weg wieder mit ihr in Kontakt zu kommen. Der Ärger war also vorprogrammiert. Miriam war in ihren Stimmungen einfach zu unberechenbar, als dass der Auftrag, und damit verbunden ihre gelegentliche Anwesenheit, ohne ärgerliche Zwischenfälle vonstatten gehen konnte.
Andererseits war es sehr unprofessionell, aus persönlichen Motiven einen Auftrag abzulehnen. Und Karen hasste es, unprofessionell zu sein.
Sylvia hatte ihr Telefonat mit Karen eben beendet und sich ihrem PC zugewandt, als die Tür des Büros schwungvoll aufgedrückt wurde. Anne Lorenz wehte herein. »Hallo!« Sie schloss die Tür ebenso laut, wie sie sie geöffnet hatte. In ihrer wirbelsturmverwandten Art trat sie mit zwei langen Schritten hinter Sylvia und schaute ihr über die Schulter.
»Surfin’, Surfin’ . . .«, imitierte sie den alten Song der Beach Boys. »Suchst du jetzt einen Partner per Internet?« Anne sprudelte wie so oft über vor guter Laune. Leider stand dabei ihr Mund fast nie still.
»Red keinen Unsinn. Ich suche im Informationsdienst Projektausschreibungen, die für Diplomarbeitsthemen geeignet sind.«
»Bäh, wie öde.« Anne verzog das Gesicht.
»Was verschafft mir die Ehre deines Besuches?« erkundigte sich Sylvia.
»Thomas und ich gehen Samstag Abend australisch essen. Möchtest du nicht mitkommen? Wir haben schon einen Tisch bestellt.«
»Welchen guten Freund hast du diesmal eingeladen, um mich mit ihm zu verkuppeln? Anne, du versuchst das nun schon, seit wir im ersten Semester waren. Gib es endlich auf.«
»Verkuppeln! Ich bitte dich«, entrüstete Anne sich. »Und selbst wenn ich so etwas vorhätte«, lenkte sie ein, »es würde ja doch nicht funktionieren. Du bist immer so schrecklich reserviert. Wie lange willst du eigentlich noch warten? Mit deinen achtunddreißig bist du gerade nicht mehr die Jüngste.«
»Und du meinst, ich müsste nun auf Teufel komm raus unter die Haube. Du hast, auf mich bezogen, so eine Art Torschlusspanik. Kann das sein?« Sylvia feixte.
»Irgendeiner muss ja deine Interessen wahren. Wenn du es nicht tust, mache ich es eben.«
»Das ist rührend von dir. Aber ich habe so meine Vorstellungen von dem Menschen, an den ich mich binden möchte.«
»Dein Problem ist, dass du immer gleich in so großen Maßstäben denkst. Bei dir wird alles zu einer Prinzipienfrage erklärt. Amüsier dich doch einfach nur mal!«
Sylvia schüttelte lächelnd den Kopf. Anne war eine gute Freundin, ihre beste, wenn sie es genau bedachte. Aber in diesem Punkt hatten sie beide völlig unterschiedliche Auffassungen.
»Ach Anne, du weißt, dass ich mir dabei vorkomme wie ein Stück Frischfleisch auf dem Wochenmarkt. Auf der Richterskala zwischen eins und zehn bekommst du eine Note und wirst zum Vergleichsobjekt.«
»Du wirst ja wohl keine männliche Jungfrau suchen?«
»Keine Ahnung, was ich suche, aber wenn ich es gefunden habe, erfährst du es als erste.«
»Das möchte ich auch stark hoffen. Also was ist? Kommst du mit?«
»Nein, nimm es mir nicht übel. Ich habe meinen Eltern versprochen, sie am Samstag zu besuchen.«
Anne stöhnte nur über
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