Die Pan-Trilogie, Band 1: Das geheime Vermächtnis des Pan (German Edition)
LEE
DIE PROPHEZEITE
Ich war neugierig. Ziemlich sogar. Immerhin hing von diesem Mädchen die Zukunft ab. Die Zukunft einer ganzen Nation. Und ich sollte sie beschützen. Mehr als das: Meine eigene Zukunft war mit ihrer eng verwoben. Ich sollte sie heiraten! Deswegen wollte ich sie kennenlernen und schrieb mich am Horton College of Westminster in London ein.
Diese Schulen waren doch alle gleich. Jugendliche oder junge Erwachsene, die sich noch finden mussten. Die Jungs unterhielten sich oft lautstark über Sport, Partys oder hübsche Mädchen. Die Mädchen kicherten viel, waren grundsätzlich in Gruppen unterwegs und sorgten sich vor allem um ihr Aussehen, die Klamotten der anderen und welche Jungs gerade in waren.
Als ich den Flur betrat, fühlte ich, wie sich sämtliche Blicke auf mich richteten. Das war ich gewöhnt. Schon himmelten mich die ersten Mädchen an. Ich sah, wie sie an ihrer Kleidung zu zupfen begannen, sich durch die Haare fuhren und über die Lippen leckten.
Auch die Schulleiterin, Mrs Hayley-Wood, reagierte ähnlich. Sie war nicht immun gegen einen gutaussehenden Mann, egal welchen Alters. Wenn sie wüsste, wie alt ich tatsächlich war …
Sie führte mich persönlich herum und stellte mir meine künftigen Klassenkameraden vor. Ich war mir sicher, dass ihre Stimme höher und etwas schriller klang als normal. Sie plapperte ununterbrochen, wies mich auf alle möglichen banalen Dinge hin und lachte dabei wie ein Teenager.
»Hier sind ein paar Ihrer neuen Schulkameraden, Mr FitzMor.«
Aha, endlich wurde es interessant. Vor uns standen drei dieser gestylten, bildhübschen Mädchen und ein Junge in meinem Alter. Oder zumindest in meinem vorgeblichen Alter.
Die linke, brünette war extrem schön. Sie hatte die Augen aufregend geschminkt, trug einen dieser modernen Faltenröcke mit passendem Top und warf mir einen koketten Blick unter ihren langen, dichten Wimpern zu.
»Mr FitzMor, darf ich vorstellen«, sagte Mrs Hayley-Wood und blieb vor den Vieren stehen. »Das sind Cynthia, Jack, Ava und Felicity aus Ihrem Jahrgang. Meine Lieben, das ist Leander FitzMor, ein neuer Schüler. Ich hoffe, Sie nehmen sich seiner ein bisschen an.«
Mrs Hayley-Wood reichte mir erneut die Hand und verabschiedete sich. Ich beachtete sie nicht weiter. Ich fühlte, wie sich in mir alles vor freudiger Erwartung zusammenzog. Hatte ich ein Glück. Direkt vor mir, die bildhübsche Brünette, war das Mädchen, das ich suchte. Das Mädchen, das über unser aller Zukunft entscheiden sollte. Meine zukünftige Frau.
Und sie sah umwerfend aus.
Das würde ja wesentlich einfacher werden, als ich gedacht hatte. Ich schenkte ihr mein verführerischstes Lächeln und sie reagierte wie erwartet: Sie schmolz dahin.
»Leander, was für ein ungewöhnlicher Name«, sagte die blonde Cynthia.
»Ach, bitte, nennt mich Lee. Meine Freunde nennen mich immer so.«
Ich sah Felicity tief in die Augen und mein Blick verfehlte die Wirkung nicht. Sie errötete zauberhaft. Wunderbar. Das machte es beinahe zu einfach. Ich hätte ja auch Pech haben und Felicity eine von diesen Trantüten dort hinten sein können. Wie die Moppelige da: strähniges Haar, ein unmögliches T-Shirt. Eben nieste sie und fiel rückwärts über ihre eigene Schultasche – auch noch ungeschickt. Und eine Zahnspange hatte außerdem aufgeblitzt!
Ich konnte mir ein abfälliges Grinsen nicht ganz verkneifen. Armes Mädchen. Das Paradebeispiel eines modernen Blaustrumpfs. Die würde bestimmt später mal eine Frauenrechtlerin werden oder Lehrerin. Oder an einer Kasse im Supermarkt enden.
Ich fühlte eine warme Hand auf meinem Arm. Felicity lächelte mich von unten mit gekonntem Augenaufschlag an. Sie wusste, wie man Männer umgarnte. Sie war hübsch, schien entschlossen und mutig. Kein Wunder – sie war die Prophezeite.
»Komm mit. Ich zeige dir unseren Klassenraum.«
Widerstandslos folgte ich ihr. Ob es für einen Kuss noch zu früh war? Immerhin wäre damit alles besiegelt. Sobald ich sie geküsst hätte, wäre sie mir verfallen. Auf immer.
»Ich gehe davon aus, dass du jetzt auch Englisch hast«, sagte sie und hakte sich bei mir unter.
Ich nickte. Das Horton College war in einem dieser altehrwürdigen Bauten aus dem viktorianischen Zeitalter untergebracht. Viele Treppen, Gänge und Nischen. Dunkle Nischen.
»Ist der Englischraum etwa hier?«, fragte ich amüsiert, als Felicity mich in eine der besagten Nischen führte.
Sie lächelte verlockend und presste ihre Modelfigur
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