Unter Verdacht
etwas darüber gesagt, wohin das Geld geflossen ist?«
Karen verneinte: »Er gab keine nähere Auskunft, die das Was, Wie oder Wer betraf.« Karen kam eine Idee. »Weißt du, ob er in letzter Zeit irgendwelche neuen Freunde oder Kontakte pflegte? Vielleicht ist er ja an eine Art Sekte geraten?«
»Davon hat er nichts angedeutet, geschweige denn erzählt. Bernd ist auch sicher nicht der Typ, der einer Sekte aufsitzt. Andererseits«, Ralf machte eine unbestimmte Handbewegung, »heutzutage, wo sich Menschen via Computer verloben, bevor sie sich überhaupt das erste Mal gesehen haben, ist ja alles möglich.«
»Ich glaube es aber eigentlich auch nicht. Folglich muss jemand aus der Firma dafür verantwortlich sein«, überlegte Karen.
»Mag sein. Aber wer?«
»Vielleicht sollte ich die ganze Mannschaft in der Buchhaltung auswechseln«, führte Karen ihre Suche nach einer Lösung laut denkend fort.
»Was, wenn es gar niemand aus der Buchhaltung ist? Willst du das gesamte Personal auswechseln? Einschließlich mich?« gab Ralf zu bedenken.
»Dann kann ich auch gleich dichtmachen. Du hast recht, das ist nicht der richtige Weg.« Karen dachte weiter. »Ich brauche einen Wirtschaftsprüfer, schnellstmöglich. Ich muss das Ausmaß der Unterschlagungen feststellen lassen und wie sie durchgeführt wurden. Dann gilt es herauszufinden, wer dahintersteckt und diesen Jemand zum Teufel zu jagen. Natürlich erst, nachdem das Geld zurückgeholt ist. Gleichzeitig müssen die Aufträge von alledem unbeeinflusst reibungslos weiterlaufen. Das ist der einzige Ausweg.«
Ralf nickte. »Ich werde dir helfen, wo ich kann.«
Dankbar sah Karen ihn an. »Ich weiß.« Aber viel wohler fühlte sie sich dadurch auch nicht. Ihr Entschluss, einen Wirtschaftsprüfer zu holen, war sicher richtig. Aber was, wenn dieser feststellte, dass der finanzielle Schaden nicht zu reparieren war?
3.
D er Dienstag verging mit Vorlesungen und Seminaren. Darüber hinaus hatte Bauer es sich nicht nehmen lassen, Sylvia noch einmal zu sich zu bitten und ihr die Wichtigkeit des Kießling-Projektes ans Herz zu legen. Sylvia verstand Bauer in gewissem Maße. Die Uni brauchte Partner in der Wirtschaft. Trotzdem fand sie, dass er ein wenig übertrieb.
Eingedenk Bauers Drängens fuhr Sylvia zu Karen Candela. Das Planungs- und Architekturbüro »Candela & Partner« befand sich in einem mehrstöckigen Bürogebäude auf dem Hohenzollerndamm. Sylvia fand anhand der Schilder am Fahrstuhl heraus, dass sie in den dritten Stock musste. Als sie aus dem Fahrstuhl trat, stand sie in einem hellen Flur mit Teppichfußboden, an den Wänden hingen Bilder verschiedener Gebäudekomplexe und Baustellen, Projekte von »Candela & Partner«.
Vom Gang gingen vier Glastüren ab. Sylvia fragte einen vorbeikommenden Herrn nach Karens Büro. Er wies auf die linke Tür hinter Sylvia. »Dort, und dann die zweite Tür rechts.«
Sylvia bedankte sich.
Sie ging durch die Glastür. Vor ihr lag ein kurzer Gang, der in ein Großraumbüro überging. Angenehmerweise fehlten die üblichen Trennwände. Die Computerarbeitsplätze waren in Gruppen zu zweit, dritt oder viert gestellt, ohne einem bestimmten System zu folgen, die Aktenschränke, nie höher als einen Meter und zwanzig, so dass der ganze Raum überschaubar blieb. Hohe, gut gepflegte Grünpflanzen durchsetzten die helle Farbe der Büromöbel. Auch hier befand sich ein mit Teppich belegter Fußboden.
Die beschriebene Tür führte Sylvia zunächst in ein Vorzimmer. Offensichtlich das Reich der Sekretärin, einer Frau um die vierzig. Zu beiden Seiten des Zimmers sah man Türen. Hinter einer von beiden musste Karens Büro sein.
»Guten Tag. Ich bin Sylvia Mehring. Ich habe einen Termin mit Frau Candela«, wandte sie sich an die Dame hinter dem Schreibtisch.
»Guten Tag, Frau Professor. Frau Candela erwartet Sie bereits.«
Sylvia zog bei der Anrede ein wenig die Augenbrauen hoch. Dass Reeder sie gelegentlich so betitelte, damit hatte sie sich abgefunden. Aber eigentlich mochte sie es nicht, so genannt zu werden. Sie fühlte sich dann wie eine verschrobene Mittfünfzigerin mit großer Hornbrille und wirrem Haar. Aber es gehörte wohl zum Job der Sekretärin, Titel in der Anrede zu verwenden. Es gab sicher viele, die großen Wert darauf legten.
»Es ist die rechte Tür.«
»Danke.« Sylvia klopfte und trat in Karens Büro.
Karen erhob sich schwungvoll hinter ihrem Schreibtisch. Sie trug heute eine tiefgrüne Hose, kombiniert mit weißer Bluse
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