Untergrundkrieg
ganzen Tag im Fernsehen.
Während ich mich um die Verletzten kümmerte, hatte ich mein eigenes Unwohlsein gar nicht gespürt. Erst als ich das Wort Sauerstoff hörte, fiel mir auf, dass ich selber komisch atmete. Aber ich kam noch nicht darauf, dass zwischen dem Vorfall und meinem Zustand eine Beziehung bestand. Ich war nicht verletzt. Deshalb hielt ich es für meine Pflicht, mich um die Opfer des Unfalls zu kümmern und zu helfen. (Was das für ein Unfall war, wusste ich nicht, aber auf jeden Fall musste es ein sehr schlimmer gewesen sein.) Weil mir, wie gesagt, schon morgens nicht besonders gut gewesen war, dachte ich, meine Beschwerden kämen daher.
Zufällig kam ein Kollege von mir vorbei, und wir entrissen das Mädchen den Fängen der Presse. Mein Kollege schlug vor, dass wir zusammen zu Fuß ins Büro gehen sollten, und ich war einverstanden. Von Kasumigaseki bis zu meiner Firma ist es etwa eine halbe Stunde zu Fuß. Beim Gehen fiel mir das Atmen schwer, aber ich musste mich nicht hinsetzen und ausruhen. Ich konnte einigermaßen normal gehen.
Als wir im Büro ankamen, hatten mich die Kollegen schon im Fernsehen gesehen und fragten: »Frau Izumi, fühlen Sie sich auch wirklich wohl?« Inzwischen war es schon nach zehn. Meine Kollegen meinten, ich sollte mich doch etwas ausruhen, aber ich hatte immer noch nicht begriffen, was passiert war, und machte mich an die Arbeit. Bald darauf kam die Nachricht aus der Personalabteilung: »Es scheint Giftgas gewesen zu sein. Kollegen, die sich unwohl fühlen, suchen bitte sofort ein Krankenhaus auf.« Inzwischen ging es mir wirklich immer schlechter. Also setzten sie mich an der Kreuzung Kamiyacho in einen Krankenwagen, der mich in das kleine Azabu-Hospital in der Nähe brachte. Etwa zwanzig Personen hatte man schon dort eingeliefert.
Etwa eine Woche lang litt ich unter erkältungsähnlichen Beschwerden. Ich hatte einen asthmaartigen Husten, und nach drei Tagen kriegte ich etwa 40 Grad Fieber. Ich dachte, das Thermometer sei kaputt – so schoss das Quecksilber in die Höhe. Eigentlich könnte meine Temperatur auch höher gewesen sein, denn das Quecksilber war ganz oben. Auf jeden Fall konnte ich mich nicht mehr rühren.
Auch als das Fieber schon gefallen war, wurde ich diesen asthmatischen Husten noch einen Monat lang nicht los. Das war die Wirkung des Sarins auf meine Bronchien, glaube ich. Es waren qualvolle, lange Hustenanfälle. Mitten in einem Gespräch ging es plötzlich los. In der Werbung muss man mit Leuten sprechen, und die Arbeit fiel mir unter diesen Umständen ziemlich schwer.
Außerdem träumte ich immer wieder die gleiche Szene. Das Bild der Bahnbeamten mit den Löffeln im Mund hatte sich in meinem Kopf festgesetzt und tauchte immer wieder in meinen Träumen auf. Ich sah unzählige Menschen auf dem Boden liegen – soweit das Auge reichte. Viele Male bin ich nachts mit diesem Bild vor Augen aufgewacht. Es war ziemlich beängstigend.
Wir waren genau vor dem Eingang des Ministeriums für Handel und Industrie. Menschen lagen mit Schaum vor dem Mund am Boden. Auf dieser Seite der Straße hatte man eine Szene wie aus der Hölle vor sich, doch auf der anderen Seite gingen die Leute zur Arbeit, als wäre nichts geschehen. Wenn ich, während ich jemanden versorgte, mal einen kurzen Blick nach drüben warf, sah ich, dass die Passanten herüberschauten und sich zu fragen schienen, was los sei, aber niemand ergriff die Initiative und überquerte die Straße. Als gehörten sie einer völlig getrennten Welt an. Alle gingen weiter, als gingen wir sie nichts an.
Ein paar Wachen vom Ministerium standen direkt vor unserer Nase. Drei sterbende Menschen lagen am Boden und warteten verzweifelt auf einen Rettungswagen, der nicht kam. Lange Zeit nicht kam. Doch niemand von den Leuten aus dem Ministerium hat Hilfe geholt. Nicht einmal ein Taxi haben sie gerufen.
Das Sarin wurde um 8.10 freigesetzt, das heißt, es dauerte über anderthalb Stunden, bis überhaupt ein Rettungswagen eintraf. Während dieser ganzen Zeit haben diese Leute uns uns selbst überlassen. Ab und zu wurde später im Fernsehen die Szene übertragen, wie der tote Herr Takahashi mit dem Löffel im Mund dalag. Für mich ein unerträglicher Anblick.
Murakami: Wenn Sie selbst zu den Leuten gehört hätten, die auf dem Weg zur Arbeit auf der anderen Straßenseite vorbeigingen, meinen Sie, Sie wären hinübergegangen, um sich um die Verletzten zu kümmern?
Ja, ich glaube schon. Ich hätte die Verletzten
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