Unterm Kreuz des Südens. Eine australische Familiensaga
Als du vor deiner Einschulung verschwunden warst und bei dem Stamm der Bundjalung gesund gepflegt worden bist, wussten wir doch nicht, wo du warst.
Als wir dann nach langer Zeit ein Lebenszeichen von dir erhielten, machten wir uns auf, um dich abzuholen. Über einem Wasserfall waren wir fast am Ziel. Unsere Träume und Hoffnungen sind dort oben geboren. Ich möchte, dass ihr euch diesen wunderbaren Platz anseht.
Sabrina, stell dir nur vor, was das für ein Gefühl ist, wenn vier Generationen da oben sitzen und in die weiten Ebenen von New South Wales schauen.“
Sabrina freute sich über den Enthusiasmus ihrer Mum, diesen Wunsch konnte sie ihr auf keinen Fall abschlagen.
Sie planten zwei Tage ein. Kevin sorgte dafür, dass nichts vergessen wurde. Er nahm auch zwei Zelte zum Übernachten mit.
Sarah ritt mit ihrer kleinen Tochter Grace auf einem Pferd. Und Sabrina ritt wie eh und je ohne Sattel.
Kevin und Jeremy begleiteten sie.
Vögel zwitscherten in dem Geäst der Bambusbäume, Zedern und der Palmen. Trotz der Hitze war es auf ihrem Weg sehr angenehm, da die Sonne durch das immergrüne gigantische Blätterdach nur spärlich durchsickerte.
Plötzlich lichtete sich der Wald, und als sie einen kahlen Hang überquerten, kamen sie in eine Schlucht, die von Lianen fast undurchdringlich zugewuchert war. Ein breiter Bachlauf schlängelte sich durch den Grund der Schlucht.
Als sie um die Bachbiegung kamen, erhob sich vor ihnen eine senkrecht aufsteigende Felswand, von der ein tosender Wasserfall fiel.
„Hier kommen wir nicht weiter“, stellte Sarah fest.
Franziska nickte schelmisch. „Warte es nur ab. Du wirst noch staunen!“
Auch Sabrina konnte sich nicht erinnern, dass sie schon einmal hier gewesen war.
Aber in diesem Moment kam eine seltsame Erinnerung in ihr auf. Sie sah Benala vor ihrem geistigen Auge, wie sie der kleinen Sabrina zeigte, welche Beeren essbar waren. Sie sah, wie sie die schwarze Frau umarmte und ihr versprach ‚ich komme wieder und besuch euch alle’, daraus ist leider nie etwas geworden.
Nun ist es zu spät. Sabrina wurde aus ihren Träumen gerissen. Franziska schaute ihre Tochter an. Sabrina hatte Tränen in den Augen. „Mum, ich kann mich plötzlich an so viele Kleinigkeiten erinnern.“
Franziska nickte lächelnd. Sie banden ihre Pferde an den Bäumen fest. Franziska ging mit Kevin durch den Wasserfall hindurch. Sie winkten den anderen zu und forderten sie damit auf, ihnen zu folgen. Sarah hielt Grace auf dem Arm. Als sie mit ihr durch den Wasserfall ging, jauchzte die Kleine vor Wonne, als ihr Gesicht nass wurde.
Kevin hatte vorsorglich Taschenlampen mitgenommen, damit sie in der Dunkelheit der Höhle etwas sehen konnten. Nach einer halben Stunde anstrengender Kletterei kamen sie schließlich oben auf dem Felsen an.
Die Sonne ging hinter ihnen unter, und vor ihnen an der Felskante tat sich allen ein gigantischer Blick auf. Sie blickten im Dämmerlicht über die weiten Ebenen Australiens. Am dunklen Horizont glaubte man, den Pazifik in der weiten Ferne schillern zu sehen. Aber das war nur eine Luftspiegelung.
„Die Weite war es, die mich an dieses Land gefesselt hat“, sagte Franziska leise, mehr für sich.
Als Kevin und Jeremy ein Lagerfeuer angezündet hatten, raschelte es plötzlich über ihnen in einem der Eukalyptusbäume.
Wie auf Kommando schauten alle zu einem der Bäume. An einem dicken Stamm kletterte eine Koalamutter nach oben, und an ihrer Unterseite klammerte sich ein Jungtier fest.
Die kleine Grace, die auch die Koalas sah, zeigte auf sie und sagte: „Teddy?“
Kevin nahm sie auf den Arm. Sie setzten sich alle um das Feuer, und Kevin erzählte von den Koalas.
„Jeder von euch wird wissen, dass sie auch Beuteltiere sind. Aber wisst ihr auch, was der Name Koala bedeutet?“
Kopfschüttelnd sahen ihn die Anwesenden fragend an.
„Koala ist ein Name aus der Aborigines Sprache und bedeute soviel wie – der, der nichts trinkt. Der Koala schläft etwa zwanzig Stunden am Tag. Die restlichen vier Stunden verbringt er mit Fressen und Klettern. Es gibt ungefähr dreihundertfünfzig verschiedene Arten von Eukalyptusbäumen. Aber er frisst nur die Blätter von einer einzigen Sorte. Die Tiere sind in ihrer Art sehr gefährdet, weil es immer weniger Eukalyptusbäume gibt.
Als 1777 Kapitän James Cook seinen Fuß auf australischen Boden setzte, sind sie seit dieser Zeit um über achtzig Prozent zurückgegangen. Zu allem Unglück jagte man diese Tiere in den zwanziger
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