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Unterm Rad

Unterm Rad

Titel: Unterm Rad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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erhält.
    Wie vor dem Schulerschen Hause die jungen Mechaniker standen, ruhig und stolz,
    Vorübergehenden zunickend und untereinander plaudernd, da konnte man wohl sehen, daß sie eine zuverlässige Gemeinschaft bildeten und keines Fremden bedurften, auch am Sonntag beim Vergnügen nicht. Hans fühlte das auch und freute sich, zu diesen zu gehören. Doch empfand er eine kleine Angst vor dem geplanten Sonntagsvergnügen, denn er wußte schon, daß es bei den Mechanikern im Lebensgenüsse massiv und reichlich zuging. Vielleicht würden sie sogar tanzen.
    Das konnte Hans nicht, im übrigen aber gedachte er, so gut als möglich seinen Mann zu stellen und nötigenfalls einen kleinen Katzenjammer zu riskieren. Er war nicht gewohnt, viel Bier zu trinken, und im Rauchen hatte er es mit Mühe dahin gebracht, daß er etwa eine Zigarre mit Vorsicht zu Ende bringen konnte, ohne Elend und Schande davon zu haben.
    August begrüßte ihn mit festlicher Freudigkeit. Er erzählte, daß zwar der ältere Geselle nicht mitkommen wolle, dafür aber ein Kollege aus einer ändern Werkstatt, so seien sie wenigstens vier Leute, und das genüge schon, um ein ganzes Dorf umzudrehen. Bier könne heute jeder trinken, soviel er möge, denn das bezahle er für alle. Er bot Hans eine Zigarre an, dann setzten sich die vier langsam in Bewegung, bummelten langsam und stolz durch die Stadt und fingen erst unten am Lindenplatz an,schneller zu marschieren, um beizeiten nach Bielach zu kommen!
    Der Spiegel des Flusses flimmerte blau, gold und weiß, durch die fast ganz entblätterten Ahorne und Akazien der Straßenalleen wärmte eine milde Oktobersonne herab, der hohe Himmel war wolkenlos hellblau. Es war einer von den stillen, reinen und freundlichen Herbsttagen, an denen alles Schöne des vergangenen Sommers wie eine leidlose, lächelnde Erinnerung die milde Luft erfüllt, an denen die Kinder die Jahreszeit vergessen und meinen, sie müssen Blumen suchen, und an denen die alten Leute mit sinnenden Augen vom Fenster oder von der Bank vorm Hause in die Lüfte schauen, weil es ihnen scheint, die freundlichen Erinnerungen nicht nur des Jahres, sondern ihres ganzen abgelaufenen Lebens flögen sichtbar durch die klare Bläue. Die Jungen aber sind guter Dinge und preisen den schönen Tag, je nach Gaben und Gemütsart, durch
    Trankopfer oder Schlachtopfer, durch Gesang oder Tanz, durch Trinkgelage oder durch
    großartige Raufhändel, denn überall sind frische Obstkuchen gebacken worden, liegt junger Apfelmost oder Wein gärend im Keller und feiert Geige oder Harmonika vor den Wirtshäusern und auf den Lindenplätzen die letzten schönen Tage des Jahres und ladet zu Tanz und
    Liedersingen und Liebesspielen ein.
    Die jungen Burschen wanderten rasch voran. Hans rauchte seine Zigarre mit dem Anschein der Sorglosigkeit und wunderte sich selber darüber, daß sie ihm ganz wohl bekam. Der Gesell erzählte von seiner Wanderschaft, und niemand nahm daran Anstoß, daß er das Maul so voll nahm; das gehörte zur Sache. Auch der bescheidendste Handwerksgeselle, wenn er im Brot sitzt und vor Augenzeugen sicher ist, erzählt von seinen Wanderzeiten in einem großartigen und flotten, ja sagenhaften Ton. Denn die wundervolle Poesie des Handwerksburschenlebens ist Gemeingut des Volkes und dichtet aus jedem einzelnen heraus die traditionellen alten
    Abenteuer neu mit neuen Arabesken, und jeder Fechtbruder hat, wenn er ins Erzählen gerät, ein Stück vom unsterblichen Eulenspiegel und ein Stück vom unsterblichen Straubinger in sich.
    »Also, in Frankfurt, wo ich damals gewesen bin, sackerlot, da war noch ein Leben! Hab ich denn das noch nie erzählt, wie ein reicher Kaufmann, so ein geschleckter Äff, meines Meisters Tochter hat heiraten wollen; aber sie hat ihn heimgeschickt, weil ich ihr um eine Nummer lieber war, und ist mein Schatz gewesen vier Monat lang, und wenn ich nicht Händel mit dem Alten bekommen hätt, säß ich jetzt dort und wär sein Schwiegersohn.«
    Und weiter erzählte er, wie ihn der Meister, das Luder, hat kuranzen wollen, der elende Seelenverkäufer, und hat's einmal gewagt und die Hand nach ihm ausgestreckt, da hat er aber kein Wort gesagt, sondern bloß den Schmiedehammer geschwungen und den Alten mal so
    angesehen, und der ist aber ganz still weggegangen, weil ihm sein Schädel lieb war, und hat ihm dann nachher schriftlich gekündigt, der feige Tropf. Und er erzählte von einer großen Schlacht in Offenburg, wo drei Schlosser, er dabei, sieben

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