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Unterm Rad

Unterm Rad

Titel: Unterm Rad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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alles umsonst, alles nur, damit er jetzt, später als alle Kameraden und von allen ausgelacht, als kleinster Lehrbub in eine Werkstatt gehen konnte!
    Was würde Heilner dazu sagen?
    Erst allmählich begann er sich mit dem blauen Schlosseranzug zu versöhnen und sich auf den Freitag, an dem er ihn einweihen sollte, ein wenig zu freuen. Da war doch wenigstens wieder etwas zu erleben!
    Doch waren diese Gedanken nicht viel mehr als rasche Blitze aus einem dunkeln Gewölk. Die Abreise des Mädchens vergaß er nicht, noch weniger vergaß oder überwand sein Blut die
    Aufreizungen dieser Tage. Es drängte und schrie nach mehr, nach einer Erlösung seiner
    erwachten Sehnsucht. So verging dumpf und qualvoll langsam die Zeit.
    Der Herbst war schöner als je, voll sanfter Sonne, mit silbernen Morgenfrühen, farbig lachenden Mittagen und klaren Abenden. Die ferneren Berge nahmen ein tiefes Sammetblau an, die
    Kastanienbäume leuchteten goldgelb, und über Mauern und Zäune hing purpurn das wilde
    Weinlaub herab. Hans war ruhelos vor sich selber auf der Flucht. Tagsüber lief er in der Stadt und in den Feldern umher und wich den Leuten aus, da er meinte, man müsse ihm seine
    Liebesnöte anmerken. Abends aber ging er auf die Gasse, blickte auf jede Dienstmagd und schlich jedem Liebespaar mit schlechtem Gewissen nach. Mit Emma schien ihm alles
    Begehrenswerte und aller Zauber des Lebens nahegewesen und tückisch wieder entglitten zu sein. Er dachte nicht mehr an die Qual und Beklemmung, die er bei ihr empfunden hatte. Wenn er sie jetzt wieder hätte, glaubte er, würde er nicht schüchtern sein, sondern ihr alle Geheimnisse entreißen und ganz in den verwunschenen Liebesgarten eindringen, dessen Tor ihm jetzt vor der Nase zugeschlagen war. Seine ganze Phantasie hatte sich in diesem schwülen, gefährlichen Dickicht verstrickt, irrte verzagend darin umher und wollte in hartnäckiger Selbstpeinigung nichts davon wissen, daß außerhalb des engen Zauberkreises schöne weite Räume licht und freundlich lagen.
    Schließlich war er froh, daß der anfangs mit "Bangen erwartete Freitag da war. Zeitig am Morgen legte er das neue blaue Arbeitskleid an, setzte die Mütze auf und ging ein wenig zaghaft die Gerbergasse hinunter nach dem Schulerschen Hause. Ein paar Bekannte sahen ihm neugierig nach, und einer fragte auch: »Was ist, bist du Schlosser worden?«
    In der Werkstatt wurde schon flott gearbeitet. Der Meister war gerade am Schmieden. Er hatte ein Stück rotwarmes Eisen auf dem Amboß, ein Geselle führte den schweren Vorhammer, der Meister tat die feinern, formenden Schläge, regierte die Zange und schlug zwischenein mit dem handlichen Schmiedehammer auf dem Amboß den Takt, daß es hell und heiter durch die weil offenstehende Türe in den Morgen hinausklang. An der langen, von öl und Feilspänen
    geschwärzten Werkbank stand der ältere Geselle und neben ihm August, jeder an seinem
    Schraubstock beschäftigt. An der Decke surrten rasche Riemen, welche die Drehbänke, den Schleifstein, den Blasebalg und die Bohrmaschine trieben, denn man arbeitete mit Wasserkraft.
    August nickte seinem eintretenden Kameraden zu und bedeutete ihm, er solle an der Türe
    warten, bis der Meister Zeit für ihn habe.
    Hans
    blickte
    die
    Esse, die
    stillstehenden
    Drehbänke, die
    sausenden Riemen und
    Leerlaufscheiben schüchtern an. Als der Meister sein Stück fertig geschmiedet hatte, kam er herüber und streckte ihm eine große, harte und warme Hand entgegen.
    »Da hängst du deine Kappe auf«, sagte er und deutete auf einen leeren Nagel an der Wand.
    »So, komm. Und da ist dein Platz und dein Schraubstock.« Damit führte er ihn vor den hintersten Schraubstock und zeigte ihm vor allem, wie er mit dem Schraubstock umgehen und die
    Werkbank samt den Werkzeugen in Ordnung halten müsse. »Dein Vater hat mir schon gesagt, daß du kein Herkules bist, und man sieht's auch. Na, fürs erste kannst du noch vom Schmieden wegbleiben, bis du ein bißchen stärker bist.« Er griff unter die Werkbank und zog ein
    gußeisernes Zahnrädchen hervor.
    »So, damit kannst du anfangen. Das Rad ist noch roh aus der Gießerei und hat überall kleine Buckel und Grate, die muß man abkratzen, sonst gehen nachher die feinen Werkzeuge dran
    zuschanden.«
    Er spannte das Rad in den Schraubstock, nahm eine alte Feile her und zeigte, wie es zu machen sei.
    »So, nun mach weiter. Aber daß du mir keine andere Feile nimmst! Bis Mittag hast du genug daran zu schaffen, dann zeigst

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