Unterweisung im Herrenhaus - Eine Magd fuer Alle
dass sie, obwohl ängstlich,
doch höflich geblieben war, auch dass sie ihn immer, wie es sich geziemte, mit `Herr´
angesprochen und ihm nicht frech in die Augen geschaut hatte. In der Küche
hatte der Koch sie getestet, ihr verschiedene Früchte und Gemüse hingehalten,
die sie benennen musste und als er ihr den Holzteller mit Suppe hingestellt
hatte, hatte er genau beobachtet, ob sie auch gesittet essen würde. Auch diesen
Test hatte sie bestanden.
Dann war sie mit einem Korb voller
Wäsche in den Garten geschickt worden, wo man ihr aufgetragen hatte, die Wäsche
ordentlich aufzuhängen über hohen Leinen. Dabei hatte der Verwalter genau
zugeschaut, während sie sich reckte und streckte und sich bemühte, die Wäsche
nicht über den Boden schleifen zu lassen. Zuletzt hatte sie in einem Zimmer,
vielleicht dem Frühstücksraum, noch gezeigt, dass sie den Boden ordentlich
fegen konnte, nicht nur mit runden Ecken. Sie war mit ihrem kleinen Besen unter
den Tisch gekrochen und hatte auf alle Vieren auch aus den hintersten Ecken den
Dreck hervorgeholt, von dem es allerdings nicht viel gab. Auch das hatte dem
Verwalter wohl gut gefallen, denn er hatte ihr das Haar gestreichelt, als sie
vor ihm gebückt lag und ihr gesagt, dass sie gleich morgen früh zur Prim ihren
Dienst antreten konnte.
„Ach Sarah, dann musst du aber sehr
früh am Morgen weg, am besten gleich bei Tagesanbruch, damit du pünktlich dort
bist.“ „Ja, Mutter, aber das macht nichts. Das ist auch nur die Ausnahme,
normalerweise muss ich schon zur Laudes antreten, aber der Verwalter sagte mir,
dass es im Haus auch Uhren gebe und ich würde lernen, mich danach zu richten,
dann müsste ich um sechs Uhr anfangen.“ Die Mutter war noch mehr beeindruckt,
eine Uhr kannten sie nur vom Kirchturm im Weiler, aber ihnen fehlte die Muße,
nachzuschauen, auf welche Zeichen die Zeiger bei den einzelnen Geläuten
zeigten. Sie hatte ihrer Tochter zwar beigebracht, höflich zu sein, in ganzen
Sätzen zu sprechen und gehorsam zu sein, wie es sich geziemte, aber die Uhr war
doch eher etwas für den Pfarrer.
Über das Erzählen hatten sie die
Zeit vergessen und schon hörten sie die Stimmen des Vaters und der Brüder, die
vom Feld zurückkamen. Denen musste alles noch einmal vorgetragen werden,
während die Mutter die abendliche Kohlsuppe zubereitete, und dann musste das
Säcklein geschnürt werden, das Sarah mitnehmen sollte zu ihrer neuen Arbeit.
Schließlich wurde die Tochter zu
Bett geschickt mit der Ermahnung, am Morgen frisch ausgeruht aufzustehen und
sich gleich auf den Weg zu machen ohne zu trödeln.
Die Eltern unterhielten sich noch
eine Weile, denn das Ereignis war so einmalig und viel versprechend, dass der
Schlaf sich nicht einstellen wollte. Sie wussten nicht, wie viel die Tochter
verdienen würde, aber dass sie jeden Kupferpfennig abliefern würde, war
selbstverständlich. Es würde ihnen helfen, besser über die Runden zu kommen.
Auch die Entlastung um einen Esser würde helfen, so dass sie bald dem Ältesten
genug geben konnten, damit dieser sich eine Frau suchen und hoffentlich einen
Hof anzahlen konnte. Außerdem würde es ihrer Tochter auf dem Heiratsmarkt
bessere Chancen bringen, denn eine, die als Magd in einem so großen Haus
gearbeitet hatte, war sehr begehrt unter den Bauern, vielleicht sogar unter den
Handwerkern.
Erst als am Morgen die Eltern ihr
Sarahchen mit einer kräftigen Umarmung auf den Weg schickten, fiel der Mutter
ein, dass sie nun doch keine Gelegenheit mehr gehabt hatte, ihre Tochter über
die Männer aufzuklären und darüber zu belehren, dass sie sich von jedem Kontakt
mit dieser Hälfte der Menschheit fernhalten sollte. Ach Gott, aber sie war doch
ein verständiges Mädchen und so gehorsam und gut erzogen, sie würde schon das
Richtige tun.
Sarah kam zur rechten Zeit an, es
war sogar noch vor dem Läuten. Die oberen Stockwerke des Herrenhauses waren
noch ruhig, aber die Küche und die Hauswirtschaftsräume brummten vor
Geschäftigkeit.
Der Koch sprach sie an. „So, Mädel,
du wirst zuerst bei mir helfen am Morgen. Ich habe das Frühstück zu richten für
die Herrschaften. Dabei hast du mir zur Hand zu gehen und auch sonst alles zu
tun, was ich dir auftrage.“ Sarah stand vor ihm, die Hände hatte sie vor dem
Bauch ineinander verschlungen, da sie begierig war, zu hören, was ihre Aufgaben
nun waren. Sie war unglaublich erschrocken, als der Koch ihr als Erstes eine
deftige Ohrpfeife austeilte. Ihr Kopf
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