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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: nanu
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nichts zu verändern«, fügte er hinzu. »Aber hol dir eine Decke zum Aufwärmen.«
    Julians Gesicht wirkte auf eine Weise verloren, die mir zu Herzen ging. Er gehorchte Schulz wortlos. Als wir in die Küche hinuntergingen, hörte ich ihn erstickt keuchen.
    Ich sagte: »lass mich...«
    »Nein, noch nicht. Ich bringe dich in ein paar Minuten zurück. Wir müssen miteinander reden, ehe die ermitteln ­ den Beamten überall herumschwirren.« Schulz hielt inne und bedeutete mir dann, mich auf einen der altmodischen Holzstühle zu setzen. Ich g e horchte. Nachdem er sich in der Küche umgesehen hatte, setzte er sich ebenfalls und zückte ein Notizbuch. Er klopfte mit einem Kugelschreiber gegen seine Lippen. »Fang an, als du mich hast benach ­ richtigen lassen, und geh von da aus zurück.«
    Ich erzählte. Keiths Leiche. Davor das Aufräumen, die G e spräche nach dem Essen, das Essen. Der Stromausfall.
    Schulz hob eine seiner dichten Augenbrauen. »Bist du sicher, dass eine Sicherung durchgebrannt ist?« Ich erklärte, ich hätte es nur vermutet. »Wer hat sie ausgewechselt, weißt du das?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ach, und eine meiner Kaffee ­ maschinen war im vorderen Wandschrank in der Halle. Ich habe sie nicht dahin gestellt.«
    Schulz machte sich eine Notiz. »Hast du eine Gästeliste?«
    »Der Direktor müsste eine haben. Dreißig Schüler und Schülerinnen der Abschlussklasse, die meisten mit ihren Eltern. Ungefähr achtzig Personen insgesamt.«
    »Hast du jemanden gesehen, der nicht eingeladen war, irgen d wie fehl am Platz wirkte oder etwas in dieser Art?« Ich wusste nicht, wer eingeladen war und wer nicht. Nie ­ mand hatte fehl am Platz gewirkt, sagte ich ihm, aber bei den Schülern und Schülerinnen hatte spürbare Spannung geherrscht. »Sonst noch etwas Greifbares?« wollte er wissen.
    Ich starrte ihn an. Er war nüchtern und sachlich. Sonst noch etwas, das sich greifen ließ. Er bedachte mich mit einem flüchtig angedeuteten Lächeln. John Richard Korman sagte immer, ich e r warte von ihm, meine Gedanken zu lesen; Tom Schulz konnte es wirklich. Ich wünschte uns beiden, wir wären anderswo und täten alles andere als das hier.
    Schulz las wieder meine Gedanken und meinte: »Wir sind fast durch.« Dann legte er den Kopf in den Nacken und trommelte sich mit den Fingern einer Hand aufs Kinn. »Okay«, sagte er, »war irgendjemand nicht da, der hätte da sein sollen?«
    Auch das wusste ich nicht.
    Er sah mir geradewegs in die Augen. »Sag mir, warum je ­ mand diesen Jungen umbringen wollte.«
    Das Blut hämmerte mir in den Ohren wie ein Presslufthammer. »Ich weiß es nicht. Er wirkte ziemlich harmlos, eigentlich eher etwas trottelig...«
    Schweigen senkte sich in der alten Küche über uns.
    Schulz sagte: »passt Julian irgendwie ins Bild? Oder der Sohn des Direktors? Oder der Direktor?«
    Ich sah elend auf die großen alten Blechdosen in der Küche, auf die buttergelb gestrichenen Holzschränke, ehe ich antwortete. »Ich weiß nicht viel über die Vorgänge in der Abschlussklasse und auch nicht über die Schule insge ­ samt. Julian und Macguire gingen hinaus, um den Puls zu fühlen, während ich mit dem Mann vom Notruf sprach. Ich weiß nicht, ob Julian, Macguire und Keith oder sonst noch jemand befreundet waren.«
    »Weißt du, ob sie Feinde waren?«
    »Also.« Unwillkürlich fiel mir Julians Aufzählung der Ran g folge seiner Klasse ein. Er hatte nichts von Gehässig ­ keiten in diesem Konkurrenzkampf erwähnt. Ich weigerte mich, Spekulationen anzustellen. »Ich weiß es nicht«, er ­ klärte ich b e stimmt.
    Der Polizist kam in die Küche. An seinen Schuhen und Kleidern hing Schnee. Er ignorierte mich und sagte zu Schulz: »Wir haben Schleifspuren vom Pförtnerhaus ge ­ funden, aus dem der Schlitten geholt wurde. Sie sind noch nicht mit den Fotos fertig, es wird ein paar Stunden dau ­ ern. Sie haben da oben in der Halle einen Burschen sitzen, dem es nicht sonderlich gut geht.«
    Schulz nickte kaum wahrnehmbar, und der Polizist ver ­ schwand.
    »Goldy«, sagte Schulz, »ich möchte in deinem Beisein mit Julian sprechen. Dann kümmere ich mich um Macguire Perkins. Sag mir, ob der Direktor so idiotisch ist, wie er aus ­ sieht.«
    »Noch schlimmer.«
    »Na großartig.«
    Julian saß im vorderen Zimmer. Er hatte die Augen ge ­ schlossen und den Kopf gegen die Sofakissen gelehnt. Sein Adamsapfel, der zur Decke zeigte, verlieh ihm etwas unge ­ mein Verwundbares. Als wir ins Zimmer kamen,

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