Untitled
hustete er und rieb sich die Augen. Sein Gesicht war immer noch grau; sein stacheliges, blondes Haar ließ ihn unwirklich erschei nen. Er hatte eine Wolldecke gefunden, die er sich fest um den Körper geschlungen hatte. Schulz bedeutete mir, ich solle zu ihm hinübergehen.
Ich ging leise zu einem Sessel, der neben der Couch stand, und streckte eine Hand aus, um Julians Arm zu tät scheln. Er drehte sich um und sah mich verdrossen an.
»Erzähl mir, was passiert ist«, begann Schulz ohne Um schweife.
Müde berichtete Julian vom Ende des Abendessens. Alle hatten ihre Mäntel angezogen und geplaudert. Er war noch geblieben, um zu sehen, ob er ein Mädchen, das er kannte und für das er ein g e wisses Interesse hegte - wie er mit nie dergeschlagenen Augen sagte -, nach Hause bringen könne. Sie hatte ihm lässig g e antwortet, sie fahre mit Keith nach Hause.
»Ich sagte: >Ach, wir arbeiten uns wohl nach oben, was?<, aber sie hörte gar nicht hin.« Julian rümpfte die Nase. »Seit ich ihr erzählt habe, dass ich lieber Küchenchef werde als Neurochirurg, behandelt sie mich wie einen Aussätzi gen.«
Schulz fragte nachsichtig: »Wollte Keith Neurochirurg werden?«
»Aber nein«, sagte Julian. »Habe ich das gesagt? Ich muss durcheinander gewesen sein...«
Wir warteten, während Julian hustete und schnell seinen Kopf schüttelte wie ein Hund, der Wasser abschüttelt.
»Möchtest du, dass wir später darüber reden, Julian?« fragte Schulz. »Obwohl es ganz hilfreich wäre, wenn du mir jetzt die E r eignisse schildern könntest.«
»Nein, das geht schon klar.« Julian sprach so leise, dass ich mich vorbeugen musste, um ihn zu verstehen.
Schulz zückte sein Notizbuch. »Lass' uns weiter zurück gehen. Vor der Sache mit dem Mädchen. Es gibt eine Din nerparty für achtzig Leute, und am Ende ist ein Junge tot. Goldy sagte, es ging bei der Einladung ums College oder so. Wie war das?«
Julian zuckte mit den Achseln. »Ich schätze, es soll den Leuten helfen, sich mit dem Gedanken ans College anzu freunden.«
»Inwiefern?«
»Ach, du weißt schon, so was in der Art, dass alle das glei che durchmachen. Dass man sich klar werden muss, was man will, sich nach der richtigen Schule umsehen und alle Pa piere und das Zeug zusammenbekommen muss. Druck, Druck und noch mal Druck. Arbeiten schreiben. Prüfungen machen.« Er stöhnte. »Die Hoc h schuleignungstests sind am Samstag. Wir haben im letzten Jahr auch Eignungstests ge macht, aber das hier sind die wichtigen. Das sind die Er gebnisse, nach denen die Colleges sich richten. Die Lehrer sagen immer, es ist nicht wichtig, es ist nicht wichtig, und daher weiß man einfach, dass es wichtig ist. Es ist wichtig, Mann.« In seiner Stimme lag eine Heftigkeit, die ich zuvor noch nie an ihm gehört hatte.
»War Keith Andrews wegen alldem nervös? Der erste große Schritt auf dem Weg zum Neurochirurgen?«
Julian schüttelte den Kopf. »Nee.« Er machte eine Pause. »Zumindest machte er nicht den Anschein. Wir nannten ihn den heiligen Andrews.«
»Den heiligen Andrews? Warum?«
Eine Spur von Missbilligung zeichnete sich auf Julians Wangen ab. »Also, Keith wollte eigentlich nicht Arzt wer den. Er wollte zu einem Bob Woodward heranwachsen. Er wollte ein so berühmter Reporter werden, dass alle beim kleinsten Skandal sagen würden: >Ruf besser Andrews an.< So als wäre er der Red Adair des Journalismus oder so was.«
Schulz schürzte die Lippen. »Weißt du jemanden, über den er gerade Nachforschungen anstellte? Jemanden, dem er auf die Füße getreten hätte?«
Julian zuckte die Achseln und wich Schulz' Blick aus. »Ich habe einiges gehört. Aber es war nur Klatsch.«
»Was dagegen, wenn du mir das erzählst? Es könnte uns weiterhelfen.«
»Nee. Es war nur ... Gerede.«
»Sportsfreund. Wir sprechen hiervon einem Toten.«
Julian seufzte trübsinnig. »Ich denke, er wird schon seine Probleme gehabt haben. Wie jeder andere.«
»Seine Probleme mit wem?«
»Weiß ich nicht. Mit allen und keinem.«
Schulz machte sich wieder Notizen. »Ich brauche Ein zelheiten dazu. Du sagst es mir, und ich sage es keinem wei ter. Manchmal helfen Gerüchte uns sehr. Du würdest dich wundern.« Er wartete einen Augenblick, dann ließ er sei nen Kugelschreiber zurüc k schnappen und steckte ihn in die Tasche. »Das Licht ging also wieder an, das Mädchen gab dir eine Abfuhr. Und dann?«
»Ich weiß nicht, ich glaube, ich unterhielt mich mit ein
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