Untitled
zitterte. »Er hat doch auf mich gezielt.«
»Und dich zurücklassen?«, erwiderte Molly. Gina hörte, wie sie sich bewegte. »Niemals. Außerdem sind sie ja hinter mir her. Hier ist noch etwas. Flaschen. Aus Plastik.«
»Dieser Mann, den der Italiener immer wieder erwähnt hat«, wandte sich Gina an Molly, während sie ebenfalls za g haft in der Dunkelheit umhertastete. »Grady Morant?«
»Das ist Jones’ richtiger Name.«
Das hatte sich Gina schon gedacht. Molly hatte ihr zwar erzählt, dass Dave Jones genau so ein Pseudonym war wie Leslie Pollard, aber wie ihr Ehemann in Wirklichkeit hieß, hatte sie ihr nie verraten.
Grady. Hmm. Er sah gar nicht aus wie ein Grady.
»Und diese Leute mit den Pistolen in Grettas Werkstatt?« Ginas Hände bekamen eine, nein, zwei Decken zu fassen. »Suchen die auch nach Grady Morant?«
Die wütenden Leute mit den Pistolen, die plötzlich alle a n gefangen hatten, in dieser Fälscherwerkstatt herumzuballern … Es war ein Wunder, dass Gina und Molly dabei nicht u m gekommen waren.
Diese Gretta – die, die Jones’ neuen und äußerst kos t spieligen gefälschten Reisepass angefertigt hatte – war dabei tatsächlich gestorben. Sie war von Kugeln getroffen worden, und ihr Blut war durch die Gegend gespritzt, und für ein paar kurze, grauenhafte Augenblicke hatte Gina sich zurück in dieses entführte Flugzeug versetzt gefühlt, als die Terroristen den Piloten umbrachten, als er mit nur noch halb vo r handenem Schädel neben ihr zu Boden fiel, als Alijzije Nabulsi auf sie einprügelte und sich wieder und wieder in sie rammte, in einem Akt der Gewalt und des Hasses, an dem sie selbst nicht die geringste Schuld hatte.
Oh Gott, oh Gott, oh Gott, gleich würde ihr schlecht werden.
»Ich weiß nicht, was das für Leute waren«, sagte Molly, während Gina den Kopf senkte und inständig hoffte, dass die Übelkeitsschübe nachließen. »Er hat uns das Leben gerettet, weißt du … der Italiener?«
Sie gerettet ? Hatte sie noch alle Tassen im Schrank?
Sie gerettet, indem er sie mit vorgehaltener Pistole in eine schäbige, nasskalte Lagerhalle gebracht und sie gezwungen hatte, Stunden um Stunden auf irgendwelchen Holzpaletten zu sitzen, während er die letzten Formalitäten erledigte, um ihnen diese luxuriöse Unterkunft hier in diesem Stah l container zu beschaffen …?
Die größte Frage jedoch lautete selbstverständlich: Gerettet wofür?
»Er hat doch den Eindruck gemacht, als ob es ihm leidtut«, meinte Molly. »Als er uns hier eingeschlossen hat. Er hat g e sagt, er will uns nicht wehtun.«
»Er hat gelogen«, sagte Gina, und ihre Stimme klang irgendwie wie aus dem Exorzisten, ein krächzendes Kreischen, nur, dass Molly sie gar nicht hörte.
Sie zählte laut vor sich hin.
»Neunzehn, zwanzig … einundzwanzig«, gab Molly bekannt. »Ich habe hier einundzwanzig Wasserflaschen und eine Packung Seniorenwindeln – Dank sei Gott auch für die kleinen Gaben.«
Dank sei Gott? Dank sei Gott dafür, dass ihr bewaffneter und gefährlicher italienischer Entführer ein Paket mit ve r dammten Seniorenwindeln in diesen Schiffscontainer g e worfen hatte, damit sie, während er sie Gott weiß wohin ve r frachtete, sich wenigstens nicht ganz in die Hosen machten?
Im Lauf der vergangenen Wochen war Molly von einer Katastrophe in die nächste geschlittert, und doch gelang es ihr mit ihrer optimistischen Grundhaltung, Gina immer wieder zu beschämen. Wobei auch Gina normalerweise nicht gerade eine Anfängerin im positiven Denken war.
»Wasser ist ein gutes Zeichen«, fuhr Molly fort. »Wasser bedeutet, dass er will, dass wir lebend ankommen.«
Na gut, aber was würde geschehen, wenn sie am Ziel ihrer Reise – wo immer das sein mochte – ausgepackt wurden?
Sie waren der Köder, so viel stand fest. Aber Köder brauchen nur eine gewisse Zeit lang frisch zu sein.
Als der italienische Pistolero sie gleich nach ihrer Ankunft in diesem Lagerhaus neben dem Fernseher fotografiert hatte, da war Gina sich sicher gewesen, dass er sie umbringen würde. Man nannte das ein Lebenszeichen. Für gewöhnlich mussten die Geiseln dazu eine Zeitung in der Hand halten, aber offensichtlich tat es auch ein live im Kabelfernsehen übertragenes Fußballspiel.
Aber es gab auch Fälle, wo so ein Foto gar nicht als Lebenszeichen gedacht war. Sondern als Zeichen des B e sitzes. Und nachdem das einmal klargestellt war, wurden die Geiseln möglicherweise überflüssig.
Jetzt wurde es laut – der Klang eines
Weitere Kostenlose Bücher