Untitled
startenden Motors. Dann ruckte es, und sie kamen in Bewegung.
Irgendwo hin.
Ihrem Schicksal entgegen.
Gina konnte nicht mehr anders. Sie fing an zu weinen.
Molly rutschte in der Dunkelheit auf sie zu, fand sie und schlang die Arme um sie. »Oh Gott, Gina, ich habe Tode s angst … und ich kann nur versuchen, mir vorzustellen, wie es für dich sein muss.«
»Ich komme mir vor wie lebendig begraben«, sagte Gina und fuhr sich mit schmutzigen Händen über das Gesicht, sodass sie garantiert eine ziemliche Schmiererei produzierte. Als ob sie bereits tot war, nur, dass sie es noch nicht wusste. Ihre Stimme zitterte. »Ich wünschte, Max wäre hier.«
»Ich weiß, Schätzchen«, erwiderte Molly und umarmte sie. »Jetzt im Augenblick vermisse ich ihn sogar, obwohl ich echt sauer auf ihn bin, weil er dir so wehgetan hat.«
Gina lachte. Mit zitternder Stimme zwar, aber sie lachte.
»Du warst doch noch nie im Leben auf irgendjemanden sauer.« Molly war nicht nur mit einem lächerlichen Optimi s mus gesegnet, sondern konnte auch sehr schnell verzeihen. Jones – Grady – hatte sie einmal damit aufgezogen und g e sagt, sie würde sogar Hannibal Lecter eine zweite Chance geben. Was Ginas Gedanken wieder auf ein sehr viel weniger humorvolles Thema lenkte.
»Lass dich von dem Pistolero – dem Italiener – nicht täuschen«, sagte sie zu ihrer Freundin. »Für ihn sind wir keine Menschen, sondern Würmer, die an seinem Haken hängen. Wenn es ihm nützt, dass wir am Leben sind, dann bleiben wir am Leben. Wenn nicht … Du kennst doch das Sprichwort: ›Wenn man das Beste von den Menschen erwartet, dann b e kommt man auch das Beste« …? In diesem Fall gilt das nicht.«
Molly erwiderte nichts. Im Normalfall hielt sie sich nicht zurück, wenn sie anderer Meinung war, aber dieses Mal riss sie sich zusammen. Gina wusste, dass ihr Gesichtsausdruck sie verraten hätte, wenn es hier drin Licht gegeben hätte. Ihre Entgegnung hätte mit »Aber …« begonnen. Aber er macht so einen sanften Eindruck. Aber er benimmt sich doch wie ein Gentleman. Aber …
»Ich meine es ernst, Mol«, warnte Gina. »Freunde dich nicht mit diesem Kerl an.«
Weil das, wenn er sie dann hemmungslos verprügelte und vergewaltigte, bevor er sie schließlich doch umbrachte, alles nur noch schlimmer machen würde.
»Dieses Mal bist du nicht allein, Gina«, sagte Molly. »Wir stehen das durch. Gemeinsam. Jones wird kommen und …«
»Umgebracht werden«, stellte Gina fest.
»Nicht, wenn ich dabei ein Wörtchen mitzureden habe.« Mollys Stimme klang sehr überzeugt. »Und das Gleiche gilt für dich.«
Hotel Elbehof, Hamburg, Deutschland
21. Juni 2005
Gegenwart
Agent Jim Ulster klopfte erneut an die Tür des Hotelzimmers, und Jules trat einen Schritt zurück.
»Bist du sicher, dass das das richtige Zimmer ist?«, wandte sich Ulster an seine Partnerin, eine untersetzte Frau mit freundlichen Gesichtszügen, die er Goldie nannte.
»Das ist es«, schaltete sich Jules ein. »Achthundertsie b zehn.«
Goldie – eigentlich hieß sie Vera Goldstein – sah noch einmal auf ihrem Notizblock nach. »Ja«, sagte sie. »Das ist das Zimmer. Vielleicht ist Mr. Bhagat ja schon we g gegangen.«
»Unwahrscheinlich«, meinte Jules.
»Es ist ja schon Abend«, erwiderte sie. »Auch Legenden müssen irgendwann mal essen.«
»Glauben Sie mir«, sagte er. »Max isst nicht einmal zu Abend, wenn er einen Fall ohne persönlichen Bezug b e arbeitet. Er ist da drin. Aber vielleicht will er ja nicht gestört werden.«
»Ich habe schon gehört, dass er in dieser Hinsicht ein bis s chen seltsam sein soll«, sagte Goldie. »Dass man eine gol d geprägte Einladung braucht, um überhaupt in sein Büro zu kommen.«
Ulster war klein, gertenschlank und voller Ungeduld und bildete so den Gegenpol zu Goldies sanftmütiger E r scheinung. Ein Mann, der nicht nur herumstehen und Däu m chen drehen wollte. Er klopfte noch einmal an die Tür. Lauter.
»Nein«, entgegnete Jules. »Das stimmt nicht. Ich meine, klar, wenn man mit ihm spricht, dann sollte man ganz genau wissen, was man sagen will. Wenn man seine Zeit ve r schwendet, dann lässt er einen das wissen, aber …«
»Ich glaube wirklich nicht, dass er da ist«, sagte Ulster und brachte es fertig, mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung auf die Uhr zu sehen, sein Handy zu überprüfen und ve r stohlen seine Eier zu sortieren.
Und dann ging die Tür auf.
»Tut mir leid, dass ich Sie habe warten lassen«, en t
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