Unvergessen wie Dein Kuss
dem Falle wäre sie vernichtet und würde ihrerseits im Schuldgefängnis schmachten. Beinah wünschte er sich, das zu erleben. Es wäre ausgleichende Gerechtigkeit.
Andererseits könnte er sie heiraten und damit eine andere und viel befriedigendere Form von Vergeltung üben.
Das Hinhalten setzte Isabella sichtlich zu. Marcus empfand Befriedigung darüber, dass sie ihre Ungeduld kaum zügeln konnte. Er musste bei ihr bis an die Grenze der Belastbarkeit gehen, sodass sie sein mögliches Angebot sofort begierig annehmen würde.
Isabella ging hinüber zum Tisch und nahm das Buch auf. Sie hielt den Rücken zum Licht, um den Titel zu lesen. “
Theoretische Schiffsarchitektur”
, las sie laut und fügte hinzu: “Es muss ja auch theoretisch sein, da man mir sagte, dass Sie aller Wahrscheinlichkeit nach den Rest Ihres Lebens hier verbringen werden, Sir.”
Marcus hob eine Augenbraue.
“Also?”, sagte er. “Was wollen Sie damit sagen?”
Sie blitzte ihn mit ihren blauen Augen an. “Ich will damit sagen, dass Sie nach Aussage des Kerkermeisters hohe Schulden haben, mehr als Sie jemals werden zurückzahlen können. Ihre Familie und Freunde sind offenbar nicht gewillt, Ihnen zu helfen. Oder vielleicht …”, sie legte das Buch zurück und fuhr fort, “wissen sie nicht einmal, dass Sie hier sind? Ich vermute, dass Sie deshalb den Namen John Ellis benutzen, als Trostpflaster für Ihren Stolz. Außerdem verhindern Sie damit, dass Ihre Schmach im
Ton
bekannt wird. Sie wollen natürlich nicht, dass ich irgendjemandem Ihren wahren Aufenthalt mitteile …”
Marcus musste innerlich über ihren Erpressungsversuch lachen. Es schien, dass Isabella vor nichts Halt machte, um ihre Ziele zu erreichen. Aber es gab ein Problem. Sie war mit einigem Glück ziemlich nahe an die Wahrheit herangekommen, hatte indes die falschen Schlussfolgerungen gezogen. Es war wirklich so, dass niemand von seinem Aufenthalt im Fleet-Gefängnis wusste. Und es stimmte auch, dass niemand es erfahren durfte. Nur saß er nicht wegen Schulden hier ein, sondern war mit einer geheimen Ermittlung betraut. Daher konnte er Isabella nicht gestatten, jedermann zu erzählen, zu welchen Schlussfolgerungen sie gekommen war.
Auf jeden Fall würde er das Spiel nicht nach ihren, sondern nach seinen Regeln machen.
“Sie wollen mich also dazu überreden, meine Meinung zu ändern? Und zwar dadurch, dass Sie meinen Aufenthaltsort geheim halten, wenn ich Sie heirate?” Er hob eine Augenbraue. “Das scheint mir ein ungleicher Handel zu sein, selbst mit der Aussicht auf Bücher, besseres Essen und Wein, um die bittere Pille zu versüßen.”
Sie schloss die Finger fest um ihr Retikül. Doch ihr Zittern konnte sie nicht verbergen. Es war seltsam, wie ihn das aus der Fassung brachte. Er spürte ihre Verzweiflung, wollte aber kein Mitleid mit ihr empfinden.
Es war ihm gleichgültig, was aus ihr wurde. Er würde und konnte nicht darüber nachdenken.
Isabella beobachtete ihn und versuchte, seinen Gesichtsausdruck zu deuten.
“Sie sind nicht gerade in einer starken Position, um eine Vereinbarung auszuhandeln, oder, Sir?”
“Sie aber auch nicht”, konterte er rasch. “Wie lange würden Sie in einem Loch wie diesem überleben, Isabella? Denn Sie werden mit Sicherheit hier enden, wenn Sie Ihre Schulden nicht bezahlen können.”
Er sah, wie sie erschauerte, aber sie hielt seinem Blick herausfordernd stand. “Meine Lage ist nicht so prekär wie Ihre”, erwiderte sie. “Ich kann einen anderen Heiratskandidaten finden.”
“Einen Kandidaten für Ihre Schulden”, berichtigte er sie. “Stellen Sie die Angelegenheit nicht rosiger dar als sie ist.”
Voller Zorn fragte er sich, warum sie so offensichtlich entschlossen war, sich von ihrem letzten Geld einen Ehemann zu kaufen und ihre Würde preiszugeben. Marcus konnte seine Gefühle gerade noch bändigen, aber Isabella spürte sie trotzdem.
In ihren Augen blitzte ebenfalls Zorn auf. “Gut. Wenn Sie ablehnen, werde ich mir einen anderen Schuldner kaufen. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?” Sie trat einen Schritt auf ihn zu.
“Und dann werde ich jedem von Ihrer Schmach erzählen, Sir. Ein Angehöriger des Adels ist wegen seiner Schulden im Fleet-Gefängnis eingekerkert und schämt sich so sehr, dass er lieber seine wahre Identität verbirgt als dass er die Verurteilung durch die Gesellschaft akzeptiert! Ich frage mich, was die Lästermäuler daraus machen. Der Ruf ist etwas so Zerbrechliches, nicht
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